Infantile GesellschaftUnreif

Väter verlassen ihre Familie, pubertierende "Erwachsene" greifen Ärzte, Feuerwehrleute und Polizisten bei Noteinsätzen an, Parteimitglieder bestimmen anstelle des Volkes, welche Regierungskoalitionen gebildet werden dürfen.

Das Statistische Bundesamt hat ermittelt, dass Väter zusehends ihre Familie im Stich lassen. „Die Wahrscheinlichkeit, als vierzigjährige Mutter alleinerziehend zu sein, ist heute deutlich höher als noch vor fünfzehn Jahren“, so ein Sprecher der Einrichtung. Bindungsschwäche lässt die Eheschließung hinauszögern, beschleunigt aber auch die Trennung im fortgeschrittenen Alter. Wenn so viele Männer Frau und Kind verlassen, ist das nicht gerade ein Ausdruck psychischer Reife. Die Infantilisierung der Gesellschaft entlässt ihre Kinder. Oft wollen die Frauen die Scheidung, weil sie es mit dem Mann nicht mehr aushalten – oder weil sie selber überzogene, infantile Erwartungen an eine Partnerschaft haben. Diese schließt neben Höhen aber auch Tiefen ein, die „erwachsen“ zu bewältigen sind.

Auch auf andere Weise benehmen sich Erwachsene häufig wie Pubertierende, wenn sie meinen, durch Rabaukentum ihre „Stärke“ beweisen zu müssen. Zum Beispiel indem sie vermehrt Autoritäten angreifen, die in Notfällen Hilfe leisten. Es ist ein neues Phänomen, dass Polizisten, Ärzte, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute im Einsatz verbal oder körperlich attackiert werden. Beim Jahreswechsel wurden sie mit Silvesterraketen beschossen. Kindisch-unreifes Verhalten wird gern in der Masse „ausgelebt“, ob in der Disco, im Fußballstadion oder in den sozialen – häufig asozialen – Netzwerken.

Sogar die politischen Parteien und ihre Protagonisten benehmen sich inzwischen auffällig kindisch, schon am Abend der Bundestagswahl und dann in den Sondierungen zu beobachten. Ich mag nicht, ich mag, ich mag nicht… Das Schauspiel, das die FDP mit dem Abbruch der Gespräche und den Äußerungen ihrer Wortführer ablieferte, war an Unreife nicht zu überbieten. Ein infantiles Verständnis von Demokratie offenbart aber auch die SPD, wenn sie anstelle des Volkes, das gewählt hat, irgendeine interne „Basis“ darüber bestimmen lässt, ob sie eine Regierung eingehen darf. Der Souverän sind nicht Parteicliquen, der Souverän sind die Bürger. Sie haben per Wahl die Zusammensetzung des Parlaments entschieden. Die Repräsentanten des Souveräns haben die Pflicht, eine Regierung zustande zu bringen, schlussendlich per Kanzlerwahl. Seit wann stehen Parteimitglieder über dem ganzen Volk? Momentan ist fast nur noch vom Wohl der Partei, der Partei, der Partei die Rede. Aber es geht um das Wohl Deutschlands, um das Wohl der Nation, Europas, ja transnational der Völker. Wie unreif, wie reif ist Politik heutzutage, wie unreif, wie reif ist das Verhalten ihrer Repräsentanten? Die individuellen wie kollektiven Infantilismen, die sich in Bindungsangst, Bindungsverlust und mangelndem Pflichtbewusstsein offenbaren, haben erstaunlich viel miteinander zu tun.

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