Fast 700000 Mitglieder haben die Kirchen 2017 allein in Deutschland verloren. Eine fortgesetzte Katastrophe, die von Amtsträgern wie Laien immer noch schöngeredet wird. Junge Erwachsene sind kirchlich fast gar nicht mehr zu erreichen. Kinder und Jugendliche interessieren sich immerhin in eingeschränkter Zahl für „besondere“ kirchliche Angebote, etwa für die Ministrantenwallfahrt, zu der gerade 50000 Messdienerinnen und Messdiener aus der Bundesrepublik nach Rom gefahren sind. Sie wollen etwas Außergewöhnliches, Verbindendes erleben; wollen gefragt werden, was sie brauchen; mitmachen. Sie wollen, dass ihnen Selbstständigkeit und Verantwortung zugetraut werden, auch religiös. In kirchlichen Gruppen finden sie nicht selten Räume und Ansprechpartner für ihre persönlichen „letzten“ Fragen, die auch zur Frage nach Gott führen können.
Fragen bewegen durchaus auch junge Erwachsene. Aber spätestens nach dem Ausscheiden aus der Ministrantengruppe, dann, wenn Lebensthemen wie Berufswahl, Partnerschaft, Kinderwunsch dringlicher werden – Wie finde ich das, was für mich richtig ist? Wofür brennt mein Herz? –, geht für junge Erwachsene der kirchliche Rahmen verloren. Das Gemeindeleben wird von den Erwartungen der bürgerlichen Mitte vereinnahmt. Die alt gewordenen „Erwachsenen“ sitzen – so das Gefühl der Jungen – die sonntägliche Stunde in der Kirchenbank oft routiniert ab. Viele junge Leute verabschieden sich deshalb – auch innerlich – von der Kirche. Denn diese sieht alt aus, und meistens ist sie es – bis zu den Pfarrern, Pastoralreferenten und Bischöfen hinauf. Wo sind zum Beispiel katholischerseits noch kirchlich streitbare, unbequeme, aufgeschlossen-neugierige, reformfreudige Kapläne anzutreffen?
Für Auszubildende, Studenten und Berufsanfänger – in unsicheren Lebensphasen des Übergangs und der Beziehungs- wie Zukunftsplanung – gibt es kaum Ansprechpartner im Kirchenmilieu, die Verständnis und Einfühlungsvermögen für sie aufbringen. Es bräuchte zum Beispiel unverkrampfte Angebote für Noch-nicht-„Gebundene“, für Paare wie für Singles, die ihr Leben – im weitesten Sinne – „geistlich“ gestalten wollen, ohne dass nach „moralischer Korrektheit“ gefragt wird; für junge Leute, die eine tiefere Bedeutung, ja nach einer „Berufung“ für ihr Leben suchen.
Wo kann die Sehnsucht nach Sinn über die materiellen Botschaften der Welt hinaus Halt finden? Hier müsste Kirche existenzielle Tiefen aufsuchen: Gibt es Gott? Ewiges Leben? Was ist der Sinn von Liebe, Sex und Partnerschaft? Warum nimmt Kirche diese Themen nicht wirklich auf? Wo werden die Ministranten von heute religiös beheimatet sein, wenn sie einmal das Jugendalter verlassen haben? Wo finden die „Ungebundenen“ christliche Bindung?