Soziale MedienTwittern oder digitale Askese?

Soziale Medien wie Facebook und Twitter führen zur Verbreitung wirrer Ideen und zu unnützen Debatten. Das meint der koptisch-orthodoxe Patriarch Tawadros II., und deshalb verbietet er jetzt allen Nonnen und Mönchen in Ägypten die Nutzung dieser digitalen Dienste. Auch persönliche Internetseiten und Blogs dürfen sie nicht mehr betreiben. Innerhalb eines Monats muss die Vorschrift umgesetzt werden – wer sich nicht abmeldet, wird bestraft.

Dass soziale Netzwerke nicht nur Gutes hervorbringen, hat auch Markus Blume, CSU-Generalsekretär, bemerkt. In den „Untiefen von Facebook“ habe er manchmal „das Gefühl, dass der demokratische Diskurs kaputt ist in unserem Land …, dass sich heute jeder in seinen Meinungshöhlen im Internet wiederfindet, sich … gemütlich einrichtet und sich verkriecht und … der vermittelnde Diskurs immer weniger stattfindet“, sagte er im „Deutschlandfunk“. Anders als Papst Tawadros II. verbietet die CSU ihren Schäfchen die Nutzung der Online-Dienste aber nicht. Im Gegenteil: Deren Patriarch Seehofer will anfangen, selbst zu twittern. Es brauche in der „Aufmerksamkeitsökonomie“ schließlich jemanden – erklärt Markus Blume –, der dafür sorge „dass … wir nicht einer Empörungsdemokratie Vorschub leisten, wo ich dann auch jede Botschaft noch einmal überhöhe, noch einmal zuspitze, damit sie besser läuft“. Für solche Überspitzungen in den Medien ist Horst Seehofer bekanntlich nicht zu haben. Nein, er sieht sich – so sagte er selbst bei einer Bierzeltrede – „gezwungen“, mit dem Twittern anzufangen, „weil manche Wahrheiten ich sonst nicht unter eine breitere Bevölkerung bekomme“.

Wenn er dann twittert, wird wohl nicht Donald Trump, sondern für den Katholiken Seehofer ganz sicher der Papst zum Vorbild. Die Kommunikationsabteilungen von Benedikt XVI. und Franziskus I. nutzen Twitter. Hielt Benedikt die sozialen Medien noch für „Portale der Wahrheit und des Glaubens“ – so das Motto des Weltmediensonntags 2013 – warnte Papst Franziskus zuletzt aber auch, das Internet könnte ein Ort für Gewalt, Verleumdung und das „wütende Abladen von Rachegelüsten“ werden. Da können die Verteidiger des christlichen Abendlands natürlich nicht tatenlos zusehen, sondern müssen mit Kreuz und Kurznachrichten dagegenhalten.

Womöglich wäre aber auch die Strategie aus dem Morgenland etwas für die christlichen Politiker im Abendland. Der Sinn des Verbots sozialer Medien für die ägyptischen Mönche und Nonnen ist es nämlich, die klösterlichen Lebensvollzüge von Gebet, Arbeit und Stille wieder stärker zu fördern und den Einfluss der weltlichen Hektik zu reduzieren. Vielleicht wäre so eine digitale Askese – wenn auch nur zeitweise – mal einen Versuch wert. Nicht nur für Politiker.

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