Reisen weckt Hochgefühle – weltweit. Wir reisen, also sind wir. Das belegt auch die global stark zunehmende Masse der Touristen, worüber soeben das amerikanische „Time“-Magazin berichtet hat. Das Einfach-mal-weg-Sein hat auch in den hintersten Winkeln der Erde an Attraktivität gewonnen. Hauptziele sind vor allem europäische Städte. Die Vereinten Nationen schätzten für 2017 insgesamt 1,3 Milliarden touristische Reise-„Ankünfte“, die Hälfte davon in Europa – ein Wachstum von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fachleute sprechen von „moderner Tourismus-Explosion“.
Die hat eine Schattenseite: Immer mehr Verantwortliche müssen die Fülle der Reisenden begrenzen, um Umwelt-, Stadt- und Sozialgefüge nicht allzu sehr zu belasten. Touristen belagern und verdrängen das normale Städteleben und gefährden auf dem Land das ökologische Gleichgewicht. Was Billigflieger-Boom, Kreuzfahrten-Boom, Ferienwohnungs-Boom an Menschenmassen anlocken, müssen Bürgermeister und deren Kommunalbehörden zusehends in geordnete Bahnen lenken. So hat Barcelona den Aufenthalt größerer Gruppen in der Altstadt untersagt. Auch nach Dubrovnik dürfen täglich maximal 8000 Besucher. Mancherorts wird, um Kontrolle auszuüben, eine Tourismus-Steuer erhoben. Amsterdam, das durch die liberale niederländische Drogenpolitik Menschen anlockt, die kiffen wollen, hat hohe Geldstrafen für Rowdytum eingeführt und die als mobile Bars bekannten „Bier-Fahrräder“ verboten. Venedig hingegen will die Besucherströme nicht zu sehr unterbinden. Immerhin hängen am Tourismus tausende von Arbeitsplätzen, sagt ein Verantwortlicher.
Hierzulande sind Freizeitparks, die Spaß ohne Ende versprechen, ein Milliardengeschäft. Ob in Rust, in Brühl oder in Sierksdorf – lebendige und rasch konsumierbare Unterhaltung ist beliebt wie noch nie in einer Epoche, die auch durch einen gigantischen Digital-Spiele-Trend gekennzeichnet ist. Es ist die Ablenkung vom Alltag, die den Menschen kurzfristig – und kostspielig – Vergnügen bereitet; ein nicht unwesentlicher Teil der Freizeit(un)kultur.
Das „Einfach-mal-weg-Sein“ lässt sich aber auch anders kultivieren. Im Wandern, im Gehen durch die Natur, wo der aufrechte Gang des freien Individuums, in Gemeinschaft oder alleine, zu einem körperlichen Ausdruck des „Es geht“ wird. Im religiösen Sinn ist es das Pilgern, die leiblich anstrengende Suche nach der Transzendenz. Gehen ist dem Denken zuträglich, sagte der Philosoph Gerd Kempermann. Man möchte ergänzen: auch dem Glauben. Pilgern ist nach biblisch-abrahamitischem Vorbild Aufbruch ins Unbekannte: Geh fort aus deinem Land, in das Land, das ich dir zeigen werde.