Der zweite Generalsekretär der Vereinten Nationen, Dag Hammarskjöld, der von 1953 bis 1961 amtierte, gehört zweifellos zu jenen befreienden Gestalten der jüngeren Geschichte, die Ethik und Politik beispielhaft verbanden und Maßstäbe öffentlicher Verantwortung setzten. Durch sein Tagebuch mit dem Titel „Zeichen am Weg“, das man nach seinem gewaltsamen Tod 1961 fand, wurde überraschend deutlich, aus welchen Quellen er schöpfte und aus welchen Motiven er politisch handelte.
Der historischen Geschehnisabfolge entspricht so eine höchst intime Innenansicht: Der Akteur auf der politischen Weltbühne gibt sich selbst Rechenschaft über das, was geschieht und wie es zu deuten ist – nicht nur existenziell und persönlich, sondern religiös und sogar mystisch. So ist Dag Hammarskjöld zu einem Kronzeugen ethisch verantworteter Globalpolitik geworden, ein Maßstab nicht nur für alle seine Nachfolger, gerade in der heutigen Weltlage mit ihrer egoistischen „Dealerei“ besonders aktuell.
Die vorliegende Gesamtbiografie aus der Feder des schwedischen Historikers und Journalisten Henrik Berggren erschließt den Werdegang und das Wirken Hammarskjölds glänzend – mit manch neuer Erkenntnis, mit vielen Originalzitaten (leider ohne genaue Nachweise) und vor allem durch eine Fülle von hierzulande noch unbekannten Fotos, deren technische Qualität womöglich reproduktiv doch hätte verbessert werden können. Flüssig, ja spannend geschrieben, sieht man sich in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs versetzt und in die Zeiten danach während das Kalten Kriegs.
Was ein einzelner, zweifellos ausnehmend begabter Mensch in einem solch schwierigen Amt doch gestalten kann, tritt eindringlich vor Augen. Man denke nur zurück an die Suez-, die Ungarn- und dann die Kongo-Krise, deren Opfer Hammarskjöld wurde. Man erinnere sich zudem an die Erfindung der Uno-Blauhelme.
Hammarskjölds Einsatz für die Menschenrechte und zumal für die schwachen Nationen ist genauso beispielhaft wie seine Kraft zum Widerstand gegen den Eigensinn der Großmächte. Fast mit Trauer gedenkt man lesend hier eines Weltpolitikers, der hochgebildet und belesen war, mit großem Fachwissen und hohem ethischen Anspruch und nicht zuletzt mit christlich interreligiöser Tiefe.
Dag Hammarskjölds Tagebuch fasziniert die Menschen bis heute. Es bezeugt ein intensives religiöses Durchleuchten, ja Durchbeten seines globalen Friedensdienstes. Erstaunlich ist, wie dieser vielbeschäftigte Politiker innerlich unterwegs war und wie sehr er sein Leben und Tun ethisch reflektierte. Auf der Spur des pietistisch innigen Glaubens seiner Mutter ist Hammarskjöld fortschreitend dabei, ein persönlich entschiedener Christ zu werden mit ökumenischer Weite und interreligiöser Lernbereitschaft.
Mit dem zweiten hier vorzustellenden Werk über Hammarskjöld von Lore Kugele liegt nun zum ersten Mal ein Gesamtentwurf vor, der dessen Persönlichkeitsprofil von seiner inneren seelischen Architektur her erschließt – gründlich aus den bisher zugänglichen Originalquellen erarbeitet, klar gegliedert und sehr gut lesbar. Die Autorin hat Philosophie, Kunstgeschichte und Theologie studiert und sich in ihrer Doktorarbeit mit Hammarskjöld befasst. Sensibel wird zunächst die Lebensgeschichte dargestellt. Dann geht es in mehreren Anläufen um die innere „Musik“ dieses außergewöhnlichen Lebens und Wirkens. Knapp und kundig werden Religionskonzepte von Karl Jaspers und Henry James skizziert, um die Eigenart von Hammarskjölds Spiritualität zu profilieren. Für diese spielen Denker wie Nathan Söderblom, Albert Schweitzer und Martin Buber eine besondere Rolle, nicht zuletzt auch viele klassische Autoren wie etwa Meister Eckhart. Klar kommt das Faszinierende an Hammarskjölds Weg und Werk ans Licht: die gelebte Einheit von Innerlichkeit und Äußerlichkeit, von Politik und Mystik. Unser Autor Gotthard Fuchs unterstreicht das in einem Vorwort zu diesem empfehlenswerten Erstling.