Es ist so, als könnten wir Menschen es nicht ertragen, Gott Mysterium sein zu lassen. Gott als Mysterium zu erleben, zu denken, zu spüren und zu atmen – dazu fehlt uns oft die innere Einstellung. Die Abwesenheit Gottes zu ertragen, ohne die Leere mit mehr Leere zu füllen, das ist eine der wichtigsten Wüstenlektionen überhaupt.
Leere zulassen, ohne das Vertrauen auf die Fülle zu verlieren, das ist unendlich schwer und zugleich unendlich zentral. Und diese Erfahrung ist nicht etwas Statisches, man hat Gott nicht einfach, und alle Leere ist für immer gefüllt. Zur Fülle Gottes, das ist das Paradoxon, gehören die Leere und ihre Erfahrung. So wie Gott Mensch wird, der Große klein, so ist auch die Fülle in der Leere und die Leere in der Fülle.
Heiner Wilmer (neuer Bischof in Hildesheim) in: „Hunger nach Freiheit“ (Verlag Herder, Freiburg 2018)