Nahezu eine halbe Million Wörter umfasst die deutsche Sprache. Josef Kraus, der frühere Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, liebt vor allem die Ausdruckvielfalt. „Die Komplexität der deutschen Grammatik und Syntax ist … auch Ausdruck der Komplexität des Denkens, das die Philosophie und die Wissenschaft in Deutschland hervorgebracht haben“, so Kraus in einem KNA-Interview. Daher wünscht er sich, dass nicht nur das Englische, sondern jede nationale Sprache Wissenschaftssprache sein soll, denn dadurch würden Wissen und Wissenschaft demokratisiert. „Auch wenn viele deutsche Wissenschaftler über exzellente Fremdsprachenkenntnisse verfügen: Komplexe Sachverhalte können sie niemals so treffsicher, stilistisch so nuanciert und vor allem so bildhaft wiedergeben, wie das in einer Muttersprache möglich ist.“
Kraus stören die vielen Anglizismen, auch wenn er kein Sprachpurist sei, wie er gesteht. Denn eine Sprache ist lebendig, wenn sie immer neue Begriffe aufnimmt. Allerdings empfindet er das Übermaß an englischen Ausdrücken als ärgerlich. „Mit ein wenig mehr Kreativität könnte man viele Anglizismen vermeiden“, vermutet Kraus. So sei Cold War zum Kalten Krieg eingedeutscht worden, Air Lift zur Luftbrücke. „Anti-Aging-Produkte könnte man als Faltenbügler oder Runzelblocker bezeichnen – da gibt es viele, auch witzige Möglichkeiten.“