Joachim Gnilka, der 89-jährig in München gestorben ist, war einer der maßgeblichen katholischen Neutestamentler der Nachkriegszeit. Als Schüler von Rudolf Schnackenburg hat er sein Fach mit historisch-kritischem Bewusstsein und mit weitem Horizont gelehrt. Gnilka stammte aus Schlesien. Zu seinem achtzigsten Geburtstag widmeten ihm seine Schüler eine Festschrift mit dem Titel „Grenzüberschreitungen“. Und genau dies spiegelte sich im Leben Gnilkas wider. Seine Wege verliefen zwischen Schlesien und Bayern, zwischen dem Jesus des Urchristentums und dem Leben der Kirche heute, zwischen biblischer und systematischer Theologie, zwischen sich wandelnden Epochen des Katholizismus, zunehmend auch zwischen Judentum, Christentum und Islam. Als Standardwerke gelten sein Matthäuskommentar und sein Jesus-Buch. Er war auch Herausgeber der Reihe „Herders theologischer Kommentar zum Neuen Testament“. Gnilkas Bild von Jesus Christus hat er wiederholt mit der Wendung zusammengefasst: die Geschichte eines Lebendigen, der im Licht des biblischen Osterglaubens weiterwirkt.