Wie viel Gewalt birgt Religion? Dient der Glaube als Brandbeschleuniger für Konflikte? Der in Wien lehrende Mittelalterforscher Philippe Buc misst dieses Problemfeld in sieben materialreichen Essays aus. Er schildert beispielsweise die Bedeutung von „religiös“ motivierten Kriegen, die zu konfessionalistischer Verschärfung und Reformation führen, stellt „Nationalen Heiligen Krieg und Sektiererterror“ als Zwillingsbrüder dar. Dabei geht er auf die „Achse des Bösen“ von George W. Bush ebenso ein wie auf eine gewaltsame Befreiungstheologie etwa beim kolumbianischen Priester Camillo Torres oder auf den Terror der RAF-Bewegung.
Theologisch besonders wichtig sind Bucs Ausführungen zur christlichen Idee des doppelten Kampfes, die bis ins Neue Testament zurückreicht. Der Christ hat demnach gegen Mächte des Bösen in, über und neben sich zu kämpfen. Aus diesem „geistlichen“ Kampf im Namen des gewaltfreien Christus wird jedoch allzu leicht angewandte Gewalt oder gar ein kriegerischer Kreuzzug. Der asketische Kampf gegen das Böse in uns und der Krieg gegen das Böse bei anderen können höchst unheilige Allianzen eingehen, mit hohem Aggressionspotenzial auf beiden Seiten. In der Geschichte der Bibelauslegung gab es unterschiedliche Begründungen für Befriedung oder Dschihad. Auch der Frage, was eigentlich Martyrium sei, geht Buc differenziert nach. Ob es gar so etwas wie strukturelle Gewalt im Christlichen gibt, wird unter der Überschrift „Freiheit und Zwang“ verhandelt.
Buc nötigt gerade Christen, Kirche und Theologie zur selbstkritischen Aufarbeitung der eigenen Geschichte und zwingt zur genauen Überlegung, was der leidsensible, der gewaltkritische normative Kern christlichen Glaubenshandelns ist beispielsweise im Unterschied zum Islam. Die ausgesprochen anregenden Studien sind freilich eher abschnittweise zu lesen, weil sie sehr dicht, bisweilen überfrachtet und verschachtelt geschrieben sind, zudem in kleinem Schriftgrad und engem Satz gedruckt.
Buc belegt seine Aussagen mit reichlich Quellen und Literatur, gut fünfzig Seiten Anmerkungen und dazu eine gute Bibliografie. Das eigentlich Revolutionäre am Christentum, die strenge Orientierung am Frieden, im heutigen Religions- und Kulturdialog gleichermaßen selbstbewusst und selbstkritisch zur Geltung zu bringen, ist ein Gebot der Stunde. Es hilft zum Abbau von Klischees und Feindbildern, aber auch zu schöpferischer Trauerarbeit um der Zukunft willen.