Für Geduld bekommt man nichts zurück; für Erbarmen auch nicht. Die Liebe, die sich im Geduldigsein und im Erbarmen ausdrückt, ist sich selbst genug. Sie ist geduldig und barmherzig, weil sie liebt. In der Tautologie: Liebe liebt, Geduld ist geduldig, Barmherzigkeit erbarmt sich. In ihr steckt das göttliche Geheimnis, denn nur von Gott können wir sagen: „Gott ist Gott.“
„Die Ros’ ist ohn’ Warum, sie blühet, weil sie blühet“, dichtete Angelus Silesius. So sind auch Geduld und Erbarmen ohne Gründe in der Nutzen- und Zwecke-Kalkulation. Sie sind schöpferisch wie Gott im Anfang der Schöpfung: Sie schaffen Lebenszeit und Lebensraum und befreien zum eigenen Leben. Sie sind lebensnotwendig. Darum sind sie dem Tauschhandel der Goldenen Regel und dem ausgleichenden Vergeltungsgesetz überlegen.
Jürgen Moltmann in: „Über Geduld, Barmherzigkeit und Solidarität“ (Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2018)