Der christliche Traditionsabbruch ist im Gange – unaufhaltbar. Soziologische Untersuchungen zu Kirche und Gesellschaft belegen, dass eine kirchenbezogene Religiosität immer weniger die Lebensführung der nachwachsenden Generation berührt. Hubertus Halbfas wirbt in seinem neuen Buch vehement für ein vom Anspruch der Botschaft Jesu inspiriertes humanes Kulturchristentum.
„Religion“, so Halbfas, „ist keine Lehre von Gott, keine Welterklärung aus göttlicher Perspektive, sondern der Versuch, sich als Mensch zu verstehen und sich vor dem Absoluten selbst zu bestimmen“. Aber wer oder was ist das „Absolute“? Meint der Autor damit Gott? Andererseits schreibt Halbfas, es gäbe kein „Diesseits und Jenseits“. Wo liegt die Grenze zwischen dem Absoluten und dem Relativen? Wie fließen die Welt und das Absolute ineinander? Ist alles Gott, oder ist Gott in allem? Angesichts der immer weiter um sich greifenden Gotteskrise wäre eine ausführlichere Erörterung mit zielführenden Vorschlägen für ein neues Gott-Denken und eine zeitgemäße Rede von Gott hilfreich.
Engagiert setzt sich Halbfas für eine Neu-Orientierung am historischen Jesus ein. „Der konkrete Jesus ist der mythischen Figur ‚Christus‘ grundsätzlich vorzuordnen. Allein auf der Basis des geschichtlichen Jesus, seiner Person und seines Werkes, so scharf wie unscharf die erreichbare Kontur sein mag, kann die heutige und künftige Christenheit ihr Christentum … neu zu definieren versuchen.“ Was macht diesen Jesus und seine Sache eigentlich so bedeutsam – seine herausragende Humanität oder sein Anspruch, der aus einer anderen Wirklichkeit (aus dem Absoluten?) zu kommen scheint? Hier wäre noch weiter zu denken.
Für die künftige Christenheit sind – nach Halbfas – eine hierarchisch verfasste Kirche, eine unwandelbare Lehre, ein unfehlbarer Papst, eine Zweiteilung von Klerus und „Laien“ ebensowenig zukunftsfähig wie übernatürliche Offenbarungen, kirchliches Wahrheitsmonopol, Sühnetod Jesu, Erbsündenlehre, unveränderliche Dogmen, Erscheinungen der „unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter Maria“, Himmel, Hölle und Fegefeuer. „Das Evangelium Jesu ist keine Lehre, sondern ein Lebensmodus“, so Halbfas. Er muss allerdings einräumen: „Ein Christentum, das sich in dieser Rückbesinnung auf das Reich-Gottes-Programm Jesu zu sich selbst bekehrt, ist eine Größe, die sich heute selbst noch nicht kennt. Ob diese Selbstfindung auch kirchlich angestrebt und realisiert wird, ist allerdings nicht sicher.“
Zu bedauern ist, dass Halbfas häufig ohne genauere Quellenangaben zitiert. Dennoch ein aufrüttelndes, für manche Leser sicher schockierendes, lesenswertes Buch.