In Ihrem Beitrag heißt es: „Es ist die Atmosphäre des Staunens über das Vordergründige hinaus.“ Damit beschreiben Sie das Klima, in dem das religiöse, auch christliche Leben beginnt.
Dem modernen Menschen fehlt zum Staunen jedoch die Muße. Wenn er sich im Sinne des Mystikers Meister Eckhart ganz leer zu machen vermag, um eventuell die leise Stimme Gottes zu hören und über diesen zu staunen, muss er erst durch den süßen Brei der Achtsamkeit hindurch sinken und bleibt da oft an seiner eigenen Gestalt kleben. Aber wer kann mir diese Gefahr ersparen außer Gott, der mir vielleicht aus der Tiefe entgegenkommt? Und darf ich nicht genau solch einen Satz auch sagen, obwohl ich weiß, dass Menschen ohne entsprechende Erfahrung diesen als Phrase empfinden könnten? Was man nicht selbst erlebt hat, kann man nicht wirklich nachempfinden. Schon eigene Erlebnisse fühlen sich aus größerem Abstand immer wieder anders an.
Ronald Vierock, Berlin
Ich staune – aber gläubig? Eher verzweifelt. Ich glaube an einen Sinn (um nicht zu verzweifeln) und gebrauche dafür das Wort „Gott“ und stemme das Kruzifix (nicht nur das Kreuz) gegen einen sinnlosen Tod. Mein Glaube ist klein, eher eine Hoffnung, verzweifeltes Anstemmen gegen die Sinnlosigkeit. Mein liebstes Gebet stammt von Friedrich Nietzsche, ausgerechnet von ihm. Es ist überschrieben mit „Dem unbekannten Gott“ und endet mit dieser Strophe: „Ich will Dich kennen, Unbekannter, / Du tief in meine Seele Greifender, / mein Leben wie ein Sturm Durchschweifender; / Du Unfassbarer, mir Verwandter! / Ich will Dich kennen, selbst Dir dienen.“
Walter Steurer, Gengenbach
Der Artikel „Gläubiges Staunen“ lässt mich nicht los. Was ist meine Antwort auf den „epochalen Abbruch“, den Sie darin beschreiben? Der Auszug der Christen aus den Kirchen ist nicht zu leugnen, ebenso nicht die Verabschiedung des Menschen vom Glauben an einen Schöpfergott.
Dabei sehe ich viele Gläubige in unserer Kirche, Priester und Laien, die sich bemühen, aus ihrem Glauben heraus leben und sich in ihrer Pfarrgemeinde persönlich einsetzen. Trotzdem geht der Auszug aus der Kirche weiter. Die Sprache in Liturgie und Verkündigung wird von einer neuen Generation offensichtlich nicht mehr verstanden.
Oft scheint es mir, dass wir in unserer Kirche Gefangene eines Systems geworden sind, das erkaltet und erstarrt ist. Es scheint kein Platz zu sein für den Einbruch des Neuen, des Unerwarteten, für den Geist, der weht, wo er will. Schauen wir in die Apostelgeschichte. Es waren wenige, die den neuen Glauben in die Welt trugen. Sie wussten nicht, wie sie den Auftrag Jesu „Geht in alle Welt und verkündet…“ ausführen könnten. „Sie gingen in das Obergemach und verharrten einmütig im Gebet.“
Wo aber ist dieses Obergemach in unseren Kirchen? Wo ist der Raum der Stille und Geborgenheit, in dem sich kleine Gruppen zu regelmäßigem Gebet treffen können? Wo erleben wir das gläubige Staunen, das Schöpfer und Schöpfung feiert?
Es gibt sie jedoch, die Aufbrüche. Seien wir offen für neue Wege, offen für das persönliche und gemeinsame Beten. Kommen wir zusammen im Obergemach und bitten um die Kraft des Geistes.
Mechtild Herder, Freiburg i. Br.
Der Missbrauchsskandal oder der Streit um die Zulassung evangelischer Ehepartner zur Kommunion bringt die Menschen nicht zurück in die Kirchen. Aber warum soll deswegen alles verloren sein? Als Großmutter zahlreicher Enkel – die fast alle erwachsen sind und selber Kinder haben – lebe ich in einer Familie, in der manche Partner der jungen Generation nicht getauft sind und keinerlei religiöse Kenntnisse haben. Meine Tür bleibt trotzdem offen. Sagt nicht Christus selbst, dass es viele Schafe gibt, die nicht in seiner Herde sind?
Barbara Trimbur, Metz/Frankreich
Wenn in einer großräumigen Kirche sich zur sonntäglichen Eucharistiefeier nur noch dreißig oder vierzig (ältere) Besucher einfinden, die dazu noch meist in den zwei hintersten Bankreihen Platz nehmen, so dass zwischen Altar und Gottesdienstgemeinde gähnende Leere klafft, stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, die Feier, urchristlichem Vorbild entsprechend, in einen „profanen“ Raum, vielleicht in den Pfarrsaal, zu verlegen. Da könnten alle an einem Tisch sitzen. Ein Teilnehmer berichtet von einer solchen Tisch-Eucharistiefeier: „Etwa vierzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer nehmen Platz an Tischen, aufgestellt in Hufeisenform. Der Priester sitzt ohne Messgewand nur mit einer kleinen Stola um den Hals an der Stirnseite. Vor Beginn der Feier erklingt leise Kirchenmusik. Man spürt förmlich, wie eine Atmosphäre des Schweigens, des Öffnens, des Hörens, der Tiefe entsteht. Der Priester gibt einige Denkanstöße zum Evangelium, und es folgt ein langes und intensives Gespräch darüber. Nach dem Hochgebet werden Hostienschale und Kelch herumgereicht.“
Für die Lesungen bei der Eucharistiefeier werden Abschnitte aus der Bibel vorgeschrieben. Alle Texte sind angesiedelt in längst vergangenen Zeiten und in einem fremden Milieu. Wen kümmert heute, was König David vor 3000 Jahren getrieben hat? Auf Dauer muss der unterschwellige Eindruck entstehen: Die Bibel spielt in einer anderen Welt, die uns heute nichts mehr angeht.
Die Lesung aus den Evangelien ist unverzichtbar. Aber anstelle der ersten und/oder zweiten Lesung könnte gelegentlich auf andere – profane, zeitgenössische – Texte zurückgegriffen werden. Hier bieten sich Abschnitte aus Büchern von Literaten an, die mit dem Text des Evangeliums im Zusammenhang stehen. Zu denken wäre auch an ein Gedicht, an Lyrik, an einen Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel. Auch das Bild eines Künstlers, ein eindrucksvolles Foto, eine Skulptur, irgendein profaner Gegenstand könnten vorgestellt und in Bezug zum Evangelium gebracht werden. So könnte deutlich werden: Unsere Zeit mit ihren besonderen Fragestellungen kommt ansatzweise schon in der Schrift vor. Es führt eine Brücke vom Damals ins Heute. Das Evangelium geht uns auch hier und heute an.
Prof. Dr. Norbert Scholl, Wilhelmsfeld
Die Zukunft des christlichen Glaubens ist davon abhängig, ob sich Menschen in ihrem Alltag für genau diesen Sinnhorizont entscheiden und mit ihrem Handeln als authentische Christen wahrgenommen werden. Dies kann wachsen, wenn sich Menschen existenziell orientieren an Jesus, dem Christus: im Brechen des Brotes, im Bedenken der Bibel, im Gebet, in der Hinwendung zum Nächsten.
Das Reich Gottes ist mitten unter uns (nach Lk 17,21): Die sichtbare materielle Welt und die unsichtbare innere Welt sind miteinander verwoben. Wie all das Lebensbedeutung bekommen kann, muss auf vielen Ebenen intensiv bedacht werden. Aber vielleicht ist es Gottes Weg mit uns, dass wir erst einmal eine kleine Herde werden.
Ulrike Saul, Göttingen
Der Artikel bringt mit seiner Unterscheidung von atheistischem und gläubigem Staunen einen möglichen Lösungsansatz zur Vereinbarkeit von Schöpfungstheologie und Evolution ein. Dieses Verhältnis könnte über die Zukunft des Christentums entscheiden. Mehrere Studien kommen zum Schluss, dass nicht mehr die Theodizee-, sondern die Schöpfungsfrage der maßgebliche Grund ist, warum Jugendliche ihren Glauben verlieren, so etwa das Buch „Schöpfung – eine Vision von Gerechtigkeit“ von Andreas Benk (2016). Die junge Generation befindet sich trotz der ständig geforderten Vereinbarkeit von Naturwissenschaft und Glauben in einem unauflöslichen Konflikt. In dessen Verlauf büßen die biblischen Zeugnisse ihre Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit ein. Die Religionspädagogen müssten angesichts der Brisanz der Schöpfungsfrage für das Überleben der christlichen Religion viel vehementer einfordern, dass sich die Theologie auf dieses Schlüsselthema fokussiert, vielleicht sogar mehrere mögliche Antworten eines christlichen Glaubens vorstellt.
Peter Oberholzer, Sankt Gallen/Schweiz
Nicht die Theologie – die Naturwissenschaft gibt heute Antworten auf Geheimnisse von Gottes Schöpfung. Dazu seien drei Physiker zitiert. Max Planck schrieb beispielsweise: „Die Basis fast aller Kulturen ist Religion. Ein erster, entscheidender Unterschied zwischen der christlichen und anderen Religionen besteht darin, dass sich der Gott der Bibel als Vernunftwesen zu erkennen gibt, der diese Welt vernünftig und durch die Vernunft erkennbar geschaffen hat.“ Burkhard Heim meinte: „Die Gegenwart des Geistes ist Voraussetzung für die Aufrechterhaltung des Universums. Wenn Gott seine Ordnung wegnimmt, dann ist diese Welt verschwunden. Die Konsequenz wäre, dass man der Weltsicht des Materialismus ‚Auf Wiedersehen‘ sagen muss.“ Carl-Friedrich von Weizsäcker wiederum hielt fest: „Unsere Welt ist im Tiefsten nicht materiell, sondern geistig.“
Gerhard Schröder, Göttingen
Seit Jahren leide ich darunter und suche, was ich unter dem Wort „Gott“ erfahren und benennen kann, JHWH oder das Du = das Gegenüber ist meine Hilfe. Erschreckend ist, wie viele genau wissen, was Gott ist und will. Wir vergessen zu oft, dass wir Geschöpfe sind und uns als eingeengt erfahren.
Ursula Hertle, Hildesheim
Besonders zutreffend finde ich Ihre Formulierung: „Ich bin spirituell, aber nicht religiös.“ Dabei ist heute zu beobachten, dass besonders die Nichtchristen in unseren Städten kirchliche Rituale und Feiern schätzen. In Belgien möchten die Bischöfe diesem Bedürfnis mit einer erneuerten Katechese begegnen, die Eltern und Eucharistiegemeinde miteinbeziehen. Mal sehen…
Ich teile Ihre Meinung, dass „Entscheidungschristentum“ nicht der zutreffende Begriff ist, sondern eher Erlebnischristentum. Ihre Formulierung „Erkenntnischristentum“ spricht mich an.
Bischof Aloys Jousten, Lüttich
Die Formel „Ich bin spirituell, aber nicht religiös“ ist nicht exakt beobachtet. Es müsste eher lauten: „Ich bin durchaus religiös, aber nicht kirchlich“ im Sinne von formal volkskirchlich. Die Begriffe „spirituell“, „religiös“ und „kirchlich“ müssten stärker getrennt voneinander untersucht werden. Zu Recht prangern Sie eine unklare und nebulös vagabundierende, bloß säkular wirkende „Spiritualität“ an, sprechen dann aber auch vom „ungläubigen Staunen“, das irgendwann womöglich in „gläubiges Staunen“ übergehen kann. Ich sehe in unserer sogenannten säkularen Welt eine immer geringer werdende offizielle Kirchlichkeit (in beiden großen Kirchen). Zugleich ist eine ernstzunehmende Offenheit für nicht dogmatisch verordnete Religiosität zu beobachten, die – auch im christlichen Kontext – mehr ist als bloße säkulare „Spiritualität.“ Daran ist anzuknüpfen.
Prof. Dr. Axel Denecke, Isernhagen
Glauben an Gott kann man nicht vermitteln – das habe ich als langjährige Religionslehrerin in der Grundschule erfahren. Glauben muss man erfahren. Die Religionsnote in der Schule war nur eine Beurteilung über erlerntes Wissen über Religion.
Mechthild Schlatt, Bocholt
Zur Plausibilität des Glaubens muss der Sprung in den Glauben (Søren Kierkegaard) kommen, der sich auch darin ausdrückt, „von Herzen der Gestalt der Lehre gehorsam“ zu werden, „an die ihr übergeben wurdet“, wie Paulus im Römerbrief schreibt (6,17). Alle Generationen von Christen haben erfahren, dass dieser Sprung von Gottes Gnade getragen und auch beantwortet wird.
Lorenz Rösch, Altensteig
Die Frage nach der Gültigkeit von kirchlichen Dogmen, ob etwa Jesus Christus der leibhaftige Sohn Gottes ist oder ob es ein Leben nach dem Tod geben wird, all dies ist nicht entscheidend für die Frage, ob das Christentum eine Zukunft hat. Es wird sie dann haben, wenn es sich als eine Religion im Jetzt bewährt, es auf dem ihm von Christus gezeigten Wegen vorangeht und immer mehr zu einer Religion für eine humanere Welt wird. Der persönliche, noch weiter gehende Glauben eines jeden Menschen muss darunter nicht leiden, sondern er wird sich wandeln und kann wachsen.
Dr. Peter Dresen, Viernheim
Religion ist in unseren Tagen nötiger denn je, weil in unserer westlichen Gesellschaft die entscheidende Frage kaum noch auftaucht: wozu wir als Einzelne eine bestimmte Würde, eine unvergleichliche Einmaligkeit haben. Das erfahre ich immer wieder bei meiner Arbeit als Referentin in der Erwachsenenbildung. Die Religion ist ein Ort der Hoffnung. Sie betrifft den Menschen in seiner Existenz als Person im Verhältnis zu Gott. Gott liebt mich, daher bin ich.
Wir brauchen unbedingt Glaubenszeugnisse, damit Menschen sich auf den Weg machen können. Nicht das religiöse Bewusstsein ist im Schwinden begriffen, wie manche behaupten, wohl aber die Bindung an den Kirchenglauben.
Helga Kröning, Cloppenburg
Ich bin nach vielen Jahren Seelsorge im Nordosten Mecklenburgs überzeugt, dass es zuerst um unser Gottesbild gehen muss: Wenn „Gott“ nicht besser sein sollte als der beste Mensch, den ich kenne und liebe, hat der christliche Glaube keine Zukunft. Mir begegnen seit Jahrzehnten Menschen, denen durch kirchliche Vertreter Gottesbilder vermittelt wurden, die zu Angst-, Schuld-, Scham- und Minderwertigkeitsgefühlen geführt haben. Mediziner sprechen von „ekklesiogenen Neurosen“ als Folge dämonischer Gottesbilder und Höllenpredigten. Nicht unsere Zeitgenossen sind also das Problem, sondern wir Hauptamtlichen, die die Suchenden und Fragenden um das Schönste betrügen, was Gott zu geben hat: seine unendliche Liebe.
Jesus achtet den Sünder, aber er ächtet die Sünde. Dieses Wortspiel hilft mir zu verstehen, wie Gott gemäß den Evangelien an den Menschen handelt: Gottes Zorn richtet sich nie gegen den Menschen, sondern immer gegen das, was er tut.
Felix Evers, Neubrandenburg
Mit Ihrer Zustandsbeschreibung gehe ich einig. Man stellt sich darüber hinaus auch die Frage, ob denn nur der Anspruch auf Wahrheit und ihr sicherer Besitz die Kirche auszeichnet – und nicht auch das ständige Infragestellen, eine Art „Säkularisierung“, Verweltlichung, und zwar derart, dass nicht nur der Sichere, sondern auch der Zweifler und Grübler und bohrende Frager zu Recht einen Platz haben darf.
Dr. Iso Baumer, Fribourg/Schweiz
Taizé, jene jugendbewegte ökumenische Initiative im französischen Burgund, zeigt mir, dass Kirche auch heute hoffnungsvoll lebendig sein kann. Das Dorf und seine geistlichen Bemühungen überzeugen durch die einfachen Lebensumstände, die den Blick auf das Wesentliche freigeben. Es ist der lebende Beweis dafür, dass Menschen heute echte Glaubensgemeinschaft suchen und finden. Hierarchische Strukturen lassen sich nicht erkennen, wohl eine notwendige, straffe Organisation. Jeder Gast erfüllt für ein funktionierendes Zusammenleben seine Aufgabe und wird dadurch Teil der Gemeinschaft. Alle nehmen an den Gebetstreffen dreimal am Tag teil. Hier hat das Wort Gottes seinen Platz und wirkt in Stille. Man wird weder „bepredigt“ noch im Glauben „bevormundet“. Die einfachen, sich wiederholenden Taizégesänge eröffnen in den Menschen eine eigene Ahnung von Transzendenz.
Beate Koch, Steinfurt
Es mangelt in dem Beitrag an Ratschlägen, wie man aus einer in Traditionen erstarrten Liturgie und Eucharistie eine lebendige, die Menschen, vor allem die jüngeren, ansprechende Feier machen könnte.
Baptist Schreiner, Sankt Ingbert
Auch für uns Priester ist das „Weiter so“ bequem. Noch selten habe ich gelesen, dass sich eine der zahllosen Dekanatskonferenzen mit den sinnlosen Massenfirmungen oder den folkloristischen Erstkommunionen beschäftigt hätte und mit ihrer Meinung an die Öffentlichkeit gegangen wäre. Und das Volk Gottes scheint keine Stimme zu haben. Wie wäre es, wenn der Pfarrgemeinderat einmal darüber diskutieren würde, wie man die Sonntagsmesse gestalten könnte, damit sie für Jugendliche attraktiver würde? Wir alle geben dem Heiligen Geist keine Chance, die Kirche zu verändern.
Siegfried Fleiner, Kirchanschöring
Mich beschäftigt folgender Gedanke: Die Kirche der Zukunft ist eine Kirche aus Minderheiten, ein Netzwerk aus Kerngemeinden und geistlichen Zentren (Klöster, Bildungs- und Sozialeinrichtungen) mit evangelisierender Ausstrahlung auf die unterschiedlich Distanzierten. Die Kerngemeinden gibt es noch, aber sie bedürfen geistig-geistlicher und auch rechtlicher Neuformung. In den deutschen Bistümern gibt es zehntausende in Pfarrgemeinderäten Engagierte. Wann endlich überträgt man ihnen rechtlich verbindlich die Mitverantwortung für ihre Kirche am Ort, in Verkündigung, Liturgie und Diakonie? Die Ausbildung der Amtspriester dauert heute sieben Jahre. Die der „allgemeinen Priester“, der „Weltchristen“, erfolgt sporadisch und zufällig. Es fehlt der gemeinsame Wille, diese Aufgaben anzupacken. In Grabenkämpfen über Kleinigkeiten wird der richtige Augenblick für Neues verpasst.
Prof. Dr. Bernhard Sutor, Eichstätt
Ich möchte eine Lanze brechen für die Prediger. Schon lange habe ich keine „volkstümlichen Erbauungsreden“ mehr gehört. Im Gegenteil, die Männer und Frauen, die ich kenne und deren Predigten ich zuhöre, leiden selber unter den festgezurrten kirchlichen Vorschriften und tun ihr Bestes, um die Botschaft Jesu in zeitgemäßer Sprache zu verkünden. Dabei sind mir die gut gemeinten, tagesaktuell vorgetragenen Fürbitten eher ein Ärgernis. Es wird wie selbstverständlich erwartet, dass Gott in die menschliche Entscheidungsfreiheit, in den Lauf der Geschichte und in die Gesetzmäßigkeit der Natur eingreift.
Reformen sind nicht nur in der Liturgie überfällig, sondern vor allem in der Art und Weise der Vermittlung und Weitergabe des Glaubens in einer zeitgemäßen Sprache, wie es zum Beispiel der flämische Jesuit Roger Lenaers in seinem Buch „Der Traum des Königs Nebukadnezar“ angestoßen hat.
Dr. Winfried B. Lunkenheimer, Erkrath
Wir müssen genau das suchen, was das prophetische Wort Karl Rahners behauptet: „Der Christ von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat…“. Als Einzelne und auch in Gemeinschaft werden wir behutsam lernen müssen, ganz bescheiden und nüchtern von unseren religiösen Erlebnissen zu berichten, so wie das vor 2000 Jahren Maria von Magdala, Johannes und Paulus, Petrus und Jakobus taten. Die frühen Christen nannten sich „Anhänger des neuen Wegs“ (Apg 9) oder wurden so genannt. Worin dieser Weg bestand, wie er gelebt wurde, wissen wir nicht genau. Wir können nur erschließen, von wo der Weg ausging, wohin er führen sollte und wie er gegangen oder verfehlt wurde. Fest steht, dass das christliche Leben als Weg, auch als therapeutischer Weg, verstanden wurde.
Rainer Wutzkowsky, Rosendahl
Aufgrund meiner persönlichen Erfahrungen als Witwer, Vater und Priester mit 94 Jahren halte ich ein Konzil für dringend notwendig, das den Reformstau endlich angeht und diesen abbaut. Sollte das nicht geschehen, droht eine Spaltung der katholischen Kirche. Auf der einen Seite wären dann jene, welche die Zeichen der Zeit erkannt haben und die Reformen bereits weitgehend in die Praxis umgesetzt haben. Auf der anderen Seite wären jene, die stur auf dem Buchstaben des Gesetzes beharren.
Adolf Fuchs, Luzern/Schweiz
Weitere Beiträge zur Debatte finden Sie hier.