In der vorliegenden Neuausgabe seines 2002 erschienenen Buches „Der Gott aller Menschen“ will der Grazer Philosoph Peter Strasser der Frage nachgehen, wie die Klammer zwischen Religion und Gewalt aufgebrochen werden kann. Der Autor setzt voraus, dass die gesamte Menschheit eine Solidargemeinschaft ist, auch wenn das bisher eine Utopie bleibt. Ausgehend von dieser Einsicht, kann über einen religiösen Universalismus nachgedacht werden, der mit dem „Gott aller Menschen“ dieser Solidarität ein Fundament verleiht.
Auch der Gott aller Menschen muss nach Strasser eine Utopie bleiben, solange die Religionen an ihren Lehren festhalten. Um hier weiterzukommen – etwa in Richtung eines „Weltethos“ – bedürfe es einer Sensibilität, die mit den Anderen religiös mitfühlt, sodass die existenziellen Grundfragen der Nächsten auch meine eigenen sind.
Laut Strasser hilft hier der historische Jesus nicht weiter. Dem Nazarener sei die Menschheit gleichgültig, und die meisten Menschen würden ohnehin beim Jüngsten Gericht der Verdammnis anheimfallen. Unter universalhistorischen Vorzeichen könne heutigen Christen Jesus als Urheber des Heils nur bedeuten, „dass sie in ihm eine Quelle von Wahrheiten verehren, die im Laufe der Zeit mehr und mehr ans Tageslicht treten“. Grundsätzlich geht er jedoch davon aus, dass die Gottesvorstellung dem Christentum einen Universalismus eingestiftet hat. Dieser werde aber durch den kirchlichen Machtanspruch verzerrt.
Peter Strasser will nach Einsichten Ausschau halten, die von allen vernünftigen Wesen verstanden und akzeptiert werden können. Bisherige Ansätze der Theologie seien ungenügend. Es brauche eine „natürliche Theologie“, welche die „übernatürlichen Einsichten“ des Glaubens in Einklang bringt mit dem Alltagsverstand. Das heißt für Strasser, in die idealistische Richtung eines Immanuel Kant zu denken.
Der Autor unternimmt es im zweiten Teil, eine „Metaphysik des Gottes aller Menschen“ zu entwerfen, die er in einer Schöpfungstheologie zu verankern sucht. Diese Metaphysik beruht auf zwei Voraussetzungen: Gott als Schöpfer hat nichts außer sich. Und Gott ist das absolute Selbst, das keine Ursache in Raum und Zeit hat. Diese Transzendenz gilt auch für den Menschen. Er ist Schöpfer, und in seinem schöpferischen „Ich“ ist das Göttliche anwesend. Dieses „Ich“ existiert – wie Gott auch – im Zeitlosen. Von dieser Transzendenz aus erkennen, wollen und handeln wir – und streben danach, uns in Raum und Zeit, so wie der Schöpfergott zu verobjektivieren. Strasser spricht von einer „Transformation im Geist“, in der alles individuelle Erleben Teil des Allgemeinen wird und nicht verloren geht.
Der Philosoph Peter Strasser mutet den Lesern gedanklich einiges zu. Trotzdem sind diesem Werk wertvolle Impulse zu entnehmen – in einer Welt, die zerbricht und zerstreut und eine einigende Utopie der Hoffnung so nötig hat. Helmut Jaschke