In den Psalmen entfaltet sich ein Grundakt des religiösen Lebens, das Lob Gottes. Was ist das aber, das Lob? Das Wort des Lobes ist aus unserem Mund weithin verschwunden – ebenso wie die Freude am Schönen zu verschwinden scheint. Aber wir müssen uns das Lobenkönnen wieder erobern. Nichts künstlich machen, gewiss nicht; aber wir können doch, etwa wenn wir draußen in der Natur sind, uns in den Gedanken hineintasten: Das hat Gott geschaffen…
Der heutige Mensch ist der Meinung, ein religiöser Akt müsse von selbst aus dem Inneren kommen, sonst sei er nicht ehrlich. Wer so sagt, weiß nicht, was beten heißt. Es gibt das Gebet, das elementar hervordringt. Es gibt aber auch das Gebet des Dienstes, der Übung, und das ist die Regel. Der Gedanke: Die Welt ist geschaffen; der Himmel, der Glanz der Sonne, der Berg, der Baum, sie alle sind geschaffen, und Lob sei dem, der sie geschaffen hat – das alles ist Gebet, und wir müssen es uns wieder erwerben.
Romano Guardini (1885–1968) in: „Weisheit der Psalmen“ (Topos plus, Kevelaer 2018)