„Wenn die Messschnur fällt auf das Gericht und ein Los des Zorns auf die Verlassenen und ein Erguss des Grimms auf die Heuchler und eine Zeit des Zorns für alles, was Belial ist, und Stricke des Todes rettungslos umringen, dann treten die Ströme Belials über alle hohen Uferböschungen hinaus mit Feuer, das all ihre Vegetation verzehrt, um zu vernichten jeden grünen Baum und auszutrocknen ihre Wasserläufe, und das umherschweift mit zuckenden Flammen, bis alle, die von ihnen trinken, nicht mehr sind… Und es frisst sich durch bis zur großen Urflut, und bis in den Abgrund brechen durch die Ströme Belials, und das Gefüge der Urflut hallt wider vom Tosen der schlammigen Strudel“ (Loblieder 1QH 11,29–33).
In Qumran stellt Belial eine strukturlose, chaotische Größe der Niedertracht oder eine dem Satan vergleichbare Figur dar. Sie kann sowohl ein Gegenspieler Gottes als auch ein Verführer der Frommen und Gerechten sein, insofern sie die Grundlagen zwischenmenschlichen Zusammenlebens und der Beziehung zu Gott zu zerstören versucht. Belegt ist Belial in den Lobliedern ausschließlich in den sogenannten Lehrerliedern (1QH 9,1–17,36). Diese beschreiben die Nöte eines Einzelnen, am ehesten des „Lehrers der Gerechtigkeit“, jenes geistlichen Führers der Qumran-Gemeinschaft, der sich im Bereich der Unterwelt und des Todes wähnt.
Im angeführten Textabschnitt stellt sich der Beter sein frevlerisches Umfeld so vor, dass in Aufnahme der Wendung „Fluten des Verderbens / Ströme Belials“ aus Psalm 18 (Vers 5) diese Gewalten über die hohen Uferböschungen treten, alles Lebendige (Grüne) vernichten und in den Abgrund und in die Tiefen der großen Urflut stürzen. Damit wird eine verheerende Konfrontation ausgelöst, in der Gott letztendlich die Streitmächte des Chaos und der Unordnung überwindet.
Noch näher an der biblischen Vorstellungswelt befindet sich der Lobliederabschnitt 1QH 13,41. Der Beter spricht davon, dass die „Fluten des Verderbens / Ströme Belials“ sein Leben ausweglos umringen. Der Unterwelt-Gedanke (vgl. Ps 18,5.6; Ps 116,3) als tödliche Gefahr für das eigene Leben ist in den Lobliedern eindeutig erkennbar.
Der angefochtene Beter sieht seine Gegner „Verderbliches / Belial“ gegen ihn planen. Da heißt es: „Die Vermittler von Lüge und die Trugseher planten gegen mich Belial/Nichtsnutziges, um zu vertauschen deine Tora, die du meinem Herzen eingeschärft hast, gegen Glattheiten für dein Volk… Sie, die Heuchler, Ränke Belials planen sie und suchen dich mit geteiltem Herzen und gründen sich nicht in deiner Wahrheit“ (1QH 11,19–23). So werden auch die „niederträchtigen Gedanken / Ränke Belials“ mit dem „Planen des Verderbens in ihrem Herzen“ verglichen (in 1QH 13,28). Dort, wo das boshafte Treiben und Planen der Gegner öffentlich und sichtbar aufscheint, ist Belial zugegen (1QH 15,6).
Aber der Beter weiß, dass ihre niederträchtigen Pläne und Gedanken beziehungsweise deren Einflüsterung durch Belial (1QH 10,18) letztlich vergebens sind, weil auch Gott selbst die Gegner beziehungsweise den Plan Belials verwirft und verschmäht (1QH 12,13f): „Doch du, Gott, verschmähst alles Planen Belials, aber dein Ratschluss, er bleibt bestehen, und das Planen deines Herzens ist fest gegründet für immer“.