Münchner Kinder nannten früher jenen Tag am 8. Dezember, der schulfrei war, „Maria im Gfängnis“. Denn das Geheimnis der „Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria“, so der kirchenamtliche Name des Festtags damals, kannten sie einzig vom Hörensagen. Heute heißt es „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Es wird seit 1477 neun Monate vor dem Fest „Mariä Geburt“ gefeiert. 1854 verkündete Papst Pius X. an diesem Tag das Dogma „von der von jedem Schaden der Erbsünde unversehrten“ Jungfrau Maria.
Das Bild zu diesem Fest entstand allmählich. Zitate der Bibel, in der Liturgie des Tages aufgegriffen, wurden als Bildelemente kombiniert: die Schlange unter den Füßen, als Gegenentwurf zum Bild der von der Schlange verführten Eva (Gen 3,13); die von der Sonne umkleidete Frau mit Sternenkranz und dem Mond zu ihren Füßen als Zeichen am Himmel (Offb 12); Motive aus dem Hohelied und den Weisheitsbüchern, die auf Maria gedeutet wurden. In Spanien entstand im 17. Jahrhundert die „Purísima“ (die Reinste), eine hell, weißblau gekleidete Gestalt, vom Himmel herabschwebend. So wurde sie dann auch von den Visionärinnen des 19. und 20. Jahrhunderts 1830 in Paris, 1858 in Lourdes, 1917 in Fatima, 1949 in Heroldsbach und 1981 in Medjugorje gesehen, mit Schleier wie eine Nonne oder Muslimin.
Die Abbildung rechts zeigt ein Spitzenbild aus der Sammlung des Diözesanmuseums Freising. Es weist einzig durch seine Beschriftung in der Kartusche unter dem Farbbildchen auf sein Thema hin: Sine macula („Ohne Fehler“). Der Bildtypus aber ist der einer „Mutter der schönen Liebe“, das Gnadenbild einer Bruderschaft zur Verehrung der Unbefleckten Empfängnis im ehemaligen Benediktinerkloster Wessobrunn. Die Bruderschaft, 1710 gegründet, hatte angeblich mehr als 600000 Mitglieder. Kopien des Bildes wurden in der Salzburger Kollegienkirche und in 23 bayerischen Kirchen aufgestellt und verehrt.
Das Bild ist das einzige bekannte Werk des Benediktiners Innozenz Metz, eines Bruders im Kloster Prüfening bei Regensburg, der bei Karl Loth in Venedig das Malerhandwerk gelernt hatte. Der nach links geneigte Frauenkopf entspricht dem Ikonentypus der Maria mit dem geneigten Haupt, der in der Kapelle der Wiener Hofburg, in Karmelitenklöstern und am meisten im Landshuter Ursulinenkloster verehrt wurde. Seine Ursprungslegende erzählt, dass der Karmelit Dominicus a Jesu Maria 1610 das Bild bei Bauarbeiten in einem „unsauberen Kothauffen gefunden und abgewischt“ habe, darauf habe es „zum Zeichen der Dancksagung das Haupt geneigt“ und gesprochen. Kunsthistoriker sehen in dem Bildtyp eine barocke Umformung byzantinischer Ikonen vom Typus der Hagiosoritissa (von hagios = heilig und soros = Schrein). Sie neigt mit bittend erhobenen Händen ihr Haupt vor dem wiederkehrenden Christus. Sie wird seitlich als Halbfigur beim Beten (ohne Jesuskind) dargestellt. Die Hagiosoritissa wurde in den Domen von Freising und Spoleto dem Evangelisten Lukas zugeschrieben.
Beim Wessobrunner Gnadenbild schmückt ein Kranz aus Rosen und Lilien das offen getragene dunkelblonde Haar. Die Blüten erinnern an poetische Texte der Psalmen, des Hohen Lieds und des Buchs der Weisheit und Jesus Sirach. Aus Jesus Sirach (24,18) stammt der Titel des Bildes: „Ich bin die Mutter der schönen Liebe, der Gottesfurcht, der Erkenntnis und der heiligen Hoffnung.“
Die kleine Gnadenbildkopie wird umrahmt von einer mit Scheren und Messerspitzen geschnittenen und mit Nadeln durchstochenen weißen Papierfläche. Weil die Technik an textile Spitzen erinnert, werden solche Arbeiten Spitzenbilder genannt. Als Handarbeit wurden sie seit dem 17. Jahrhundert vor allem in Klöstern hergestellt. Im 19. Jahrhundert wurden die Bilder gedruckt und ihre Umrahmung maschinell gestanzt.
Echte Handarbeit nach einer gedruckten Vorlage ist das oberbayerische Hinterglasbild (aus Seehausen am Staffelsee, um 1840), eine „Wahre Abbildung der frommen Spital =Schwester in Paris“ (unten links). Das Bild zeigt Katharina Labouré vom Orden der Vinzentinerinnen in der Kapelle ihres Ordens in der Rue du Bac in Paris bei ihrer Vision am 27. November 1830. Sie sah die in Weiß und Blau gekleidete Jungfrau auf Wolken stehend mit ausgebreiteten Händen, von denen Strahlen ausgingen. Die Erscheinung gab ihr den Auftrag, eine Medaille von der Vision prägen zu lassen, und versprach: „Die Gnaden werden zahlreich sein für jene, die sie mit Vertrauen tragen.“
Das Andachtsbild (rechts), gedruckt um 1900, gibt ebenfalls die Vision der Vinzentinerin Katharina Labouré wieder. Mehr und mehr wurde die Vorstellung von Maria eine geisterhafte Himmelserscheinung. 1832 erlaubte der Erzbischof von Paris die Prägung jener „wunderbaren Medaillen“, die, in Millionenauflagen hergestellt, in der ganzen katholischen Welt verbreitet waren. Sie trugen dazu bei, dass aus der Muttergottes die Jungfrau wurde. Erst die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils hat den Titel Muttergottes wieder in den Festnamen eingefügt. Das Dogma von 1854 benennt nur die „allerseligste Jungfrau“. Alle folgenden Marienerscheinungen zeigen nur diese, eine kinderlose Muttergottes.