Endlich stellt sich jemand dem Thema! Der Neutestamentler Gerhard Lohfink formuliert ein ebenso existenzielles wie theologisch ausgewogenes Bekenntnis „über Auferstehung und ewiges Leben“. Ausgangspunkt ist das, was Menschen über Sterblichkeit und Ewigkeit denken. Der Hintergrund heutiger Vorstellungen und Erwartungen – anthropologischer, philosophischer oder religiöser Art – bleibt oft schillernd. Lohfink hinterfragt die Selbstverständlichkeiten beispielsweise von Traueranzeigen oder Kondolenzschreiben. „Erinnerungen sind wie Sterne am Himmel: Deiner wird ewig leuchten.“ Vieles trägt einfach nicht!
Das Buch bezieht sich dann auf die biblische Glaubenserfahrung Israels und betont dabei die radikale Diesseitigkeit der Gottesbeziehung. Diese Welt ist Ort des Segens, der Freude und des Gotteslobs. Wie aber überschreitet Israel die „penetrante Diesseitigkeit“? Betend und dankend wenden sich die Psalmen als Lob des Gottesvolkes an den Schöpfer, und dies im „Wissen um eine Geborgenheit bei Gott, die grenzenlos ist und deshalb die Wendung ‚Auferstehung der Toten‘ gar nicht nötig hat“. Die Lebensgemeinschaft der Beter mit ihrem Gott JHWH ist unverlierbar, sie überdauert sogar den Tod. Späte Texte kennen ein Weltgericht, nach dem Gott vor aller Welt seine Königsherrschaft antritt. Alles Gottfeindliche wird vernichtet, auch der Tod.
Vor diesem Hintergrund entfaltet Lohfink das, was als Dreh- und Angelpunkt mit Jesus in die Welt kam: „Die Auferstehung aller Toten, die Heimholung und Verwandlung der Welt, die neue Schöpfung Gottes, die das Ziel aller Geschichte ist – all das hat mit der Auferstehung Jesu ‚bereits‘ begonnen.“ Der gewaltsame Tod des religiösen „Anführers“ bedeutete nicht das Ende der Jesus-Bewegung, wie es andernorts nach dem Tod einer Gründergestalt geschah. Zwar resignieren die Jünger Jesu zunächst nach der Kreuzigung. Sie schicken sich an, in ihren Alltag als Handwerker oder Fischer zurückzukehren. Dann aber erschließen die Begegnungen mit dem Auferstandenen die neue Wirklichkeit: In geradezu drastischer Körperlichkeit erfahren die Jünger den auferstandenen Herrn. Gerade weil sie den Tod so ernstnehmen, können sie das Ganze nur als Rettungstat Gottes begreifen. Die Auferweckung Jesu liegt zwar jenseits von Raum und Zeit. Aber sie verwandelt und versammelt die gesamte Geschichte Jesu vor Gott, und sie manifestiert sich mitten in der Geschichte.
Weil aber die Auferweckung der Toten im Judentum der damaligen Zeit den Beginn der messianischen Welt meinte, kann folgerichtig gesagt werden, dass hier die allgemeine Totenerweckung begonnen hat. Das meint keineswegs, dem Tod die Spitze zu nehmen: Der Tod ist Erleiden, Elend und Ausgeliefertsein. Aber gerade so bedeutet er letzte Nähe zu Jesus.
Anhand der biblischen Quellen versucht Lohfink zu deuten, was mit den Menschen im und nach dem Tode geschieht. „Im Tod begegnet der Mensch Gott, dem abgründigen Geheimnis seines Lebens.“ Die Innenseite des Todes ist Begegnung mit Gott selbst. Hierher gehört dann auch die Rede vom Gericht, was bedeutet: Vor Gott bleibt nichts verborgen, alles wird offenbar. Selbst ein aufrechter Mensch wird dann doch mancher Abgründe im eigenen Leben gewahr, traditionell gesprochen „geläutert“.
Überraschend ist der Abschluss des Buches über die wahre Sorge für unsere Toten. Dinge wie Grabpflege und Nachlassordnung führen nicht zum Kern. Vielmehr ist es der Glaube, den unsere Verstorbenen uns vorgelebt und anvertraut haben. Bleiben wir im Glauben, so ehren wir unsere Toten.
Wer die theologische Diskussion über die Thematik der „letzten Dinge“ (Eschatologie) ein wenig kennt, ahnt, wie intensiv sich Lohfink mit Positionen und Gegenpositionen auseinandergesetzt hat, um die Thematik anschaulich darzustellen. Umfangreiche Anmerkungen und Verweise helfen, sich intensiver mit der letzten Frage zu beschäftigen. Das Schwere leicht und dennoch tiefgründig zu sagen – darin liegt die besondere Leistung Lohfinks.