Ich glaube nicht an ein endloses Leben auf dieser Erde. Aber ich glaube an ein ewiges Leben. Und das ist etwas grundsätzlich Verschiedenes: Ein unendliches Leben meint ein Leben in der Unendlichkeit, in der Ewigkeit. Das heißt: Ich möchte nicht endlos leben, möchte nicht eine unbeschränkte Verlängerung des irdischen Lebens in Zeit und Raum. Ich hoffe auf ein unendliches Leben: in einer völlig anderen, unsichtbaren Dimension, in der Dimension Unendlich, ein vollkommen verwandeltes Leben in Gottes Ewigkeit. Das Bild dafür, das mich schon lange begleitet: Die der Erde verhaftete Raupe wird sich eines Tages aus dem irdischen Kokon befreien und in wunderbaren Farben als Schmetterling frei dem Himmel entgegenfliegen.
Dass ich in ein ewiges Leben hineinsterbe, das mit der Wirklichkeit Gottes identisch ist, kann ich nicht beweisen. Dazu kann ich nur in einem vernünftigen Vertrauen Ja sagen. Vernünftig, weil ich es keineswegs als vernünftige Lösung ansehe zu behaupten, dass Welt und Mensch aus dem Nichts kommen und ins Nichts gehen. Sinnlos, vernunftlos, von Anfang bis Ende: Nein, das will mir nicht in den Kopf.
Hans Küng in der Einleitung von „Ewiges Leben?“ (Herder, Freiburg 2017)