Eine unerlässliche Aufgabe im Alter: resignieren zu lernen. Resignation meine ich nicht als bittere Aussichtslosigkeit. Resignieren heißt im Wortsinn, die Zeichen der Macht niederlegen und sich ergeben. Resignation ist die Kunst, abzudanken und sich und die eigene Weltauffassung nicht für unentbehrlich zu halten. Wer sich ergibt, lässt die anderen anders sein. Das Alter ist die Zeit, in der wir die Endlichkeit lernen, nicht nur weil unsere Zeit befristet ist. Wir Alten müssen auch lernen, dass unser Lebenskonzept, unsere Lebensweise, sogar die Weise unseres Glaubens endlich sind. Sie müssen nicht die Konzepte und Weisen unserer Kinder und Enkel sein. Wir müssen unsere Nachkommen gehen lassen.
Abdanken heißt sich mit Dank verabschieden; sich selber und die eigene Weise den anderen nicht als Diktat hinterlassen; nicht erwarten, dass sie uns ähnlich sind. Abdanken heißt, mit Schmerz und in Heiterkeit zugeben, dass unsere Kinder und Kindeskinder ihre eigenen Wege gehen, so wie wir sie früher gegangen sind. Unsere Kinder sind nicht dazu da, uns selber fortzusetzen. Sich ergeben können ist eine Form der Gewaltlosigkeit, die uns Alte schöner macht und die bewirkt, dass unsere Nachkommen mit Güte und Zärtlichkeit an uns denken können.
Fulbert Steffensky aus: „Als flögen wir davon“ (Kreuz, Hamburg 2017)