Was Skeptiker vermuteten, scheint sich zu bestätigen: Einstige Mitglieder der kolumbianischen Guerilla-Gruppe „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“ (FARC; „Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens“) haben sich seit dem vor zwei Jahren zwischen Regierung und Untergrundbewegung vereinbarten Friedensabkommen selbstständig gemacht. Sie arbeiten nun „auf eigene Rechnung“ und terrorisieren in ihren „Hoheitsgebieten“ nach wie vor die Bevölkerung. Die neuen Geschäftsfelder bleiben die mafiösen alten: Drogenhandel, Entführungen, Prostitution.
Der Amerikadirektor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, José Miguel Vivanco, berichtete, dass Abtrünnige der offiziell „entwaffneten“ FARC Menschen, die es wagen, ihnen zu trotzen, verschwinden lassen und töten. Die ehemaligen Kämpfer für die „gute Sache Gerechtigkeit“, die nichts anderes gelernt haben als das Kriegshandwerk und die damit schon seinerzeit ihren wirtschaftlichen Unterhalt verdienten, vergewaltigen Frauen und Mädchen, rekrutieren Kinder für den Kampf und zwingen Tausende zur Flucht aus den von ihnen beherrschten Gebieten.
Nicht nur in ländlichen, von der Zentralregierung vernachlässigten Regionen, auch in Städten versuchen die Ex-Guerilleros, die Oberhand zu gewinnen. Zum Beispiel in Tumaco mit einem hohen Anteil afroamerikanischer Einwohner. Diese im Süden Kolumbiens am Pazifik gelegene Hafenstadt ist strategisch wichtig für den Drogenhandel. Von dort gehen zahlreiche Vertriebsrouten für das Rauschgift aus. Entsprechend umkämpft ist der Ort zwischen den Ex-Leuten der FARC und paramilitärischen, rechtsextremistischen Banden, in denen oft Angehörige von Militär und Polizei tätig sind, um sich unter anderem ebenfalls am Drogengeschäft zu bereichern. Die Mordrate in Tumaco ist viermal so hoch wie im Durchschnitt Kolumbiens.
Vivanco erklärte: „Die Einwohner Tumacos haben gehofft, dass das Friedensabkommen endlich Frieden in ihre Gemeinden und Nachbarschaften bringen wird, aber ihre Hoffnungen wurden sehr bald enttäuscht.“