Im peruanischen Lima, aber auch in weiteren Teilen der Weltkirche, ist die Ernennung des befreiungstheologisch inspirierten Carlos Castillo zum neuen Erzbischof der südamerikanischen Hauptstadt mit Überraschung aufgenommen worden. Papst Franziskus I. wollte offenbar einen Gegenakzent zum bisherigen betont konservativen, dem „Opus Dei“ angehörenden Kardinalerzbischof Juan Luis Cipriani Thorne setzen. Dessen Rücktrittsgesuch mit Erreichen der Altersgrenze hatte der Papst Ende Januar binnen vier Wochen – anders als bei sonstigen Kardinälen also sehr rasch – angenommen.
Der bereits 69-jährige Castillo hatte vor seiner Priesterweihe Soziologie studiert. Mehrere Jahre verbrachte er in einer der – mit vier Grad Celsius Durchschnittstemperatur – klimatisch härtesten und sozial schwierigsten Andenregionen, in der über 4300 Meter hoch gelegenen Bergbaustadt Cerro de Pasco. Castillo war in der Jugendbewegung um den Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez aktiv. Theologie studierte er in Rom. Seine Doktorarbeit schrieb er über den Dominikanerbischof und „Vater der Indios“ Bartolomé de Las Casas. Als Cipriani Erzbischof Limas wurde, zog sich Castillo in die Randpfarreien der Hauptstadt zurück, unterrichtete allerdings weiter Theologie an der Päpstlichen Katholischen Universität.
Über deren Statuten kam es zu einem schweren Zerwürfnis zwischen der Universitätsleitung, einschließlich deren Professoren, und Cipriani. Dieser wollte die Autonomie der Hochschule sowie die Freiheit der Forschung und Lehre beschneiden und alles seiner eigenen Autorität als Großkanzler unterstellen. Die Universität sei nicht mehr „katholisch“. In diesem Machtkampf entzog Cipriani den Theologiedozenten die Lehrerlaubnis. Der Vatikan gab ihm unter Papst Benedikt XVI. recht und entzog der Universität den Titel „Päpstlich Katholisch“. Nach langwierigen Verhandlungen seit Amtsantritt von Papst Franziskus kam es zu einer „gütlichen“ Einigung, die der Universität den kirchlichen Titel wieder zuerkannte und gleichzeitig Cipriani den Status des Großkanzlers entzog. Weiterhin ist eine von Cipriani angestrengte Zivilklage des Erzbistums um universitäre Besitztümer anhängig. Die Universität hofft, dass sich unter dem neuen Erzbischof die Lage weiter beruhigt.
Viele Peruaner freuen sich, dass mit Carlos Castillo ein „Priester der Armen“ Erzbischof von Lima wird, in später Nachfolge des bis heute hoch angesehenen und intellektuell präsenten Kardinals Juan Landázuri Ricketts (1913–1997), der von 1955 bis 1989 das Hauptstadt-Bistum geleitet hatte.