Oh, nein! Das packe ich nicht! Bitte nicht ich und bitte nicht jetzt! – Jeder und jede kennt Situationen, in denen solche Stoßseufzer gedacht oder von sich gegeben werden. Vielleicht befindet sich die eine oder der andere gerade in einer solchen herausfordernden Situation. Was ist da zu tun? Was kann helfen? Einfach Augen zu und durch? Das mag manchen und manchmal gelingen, aber nicht allen und nicht immer. Mir jedenfalls gelingt das nicht immer. Angst kommt in mir auf und wird bisweilen so übermächtig, dass ich weder ein noch aus weiß. Nichts und niemand scheint helfen zu können, diese Situation zu bewältigen. Ich wähne mich allein auf weiter Flur, verlassen von allen guten Menschen, Geistern und – ja, auch von Gott. Spätestens wenn es so weit gekommen ist, erinnere ich mich wieder an die Stellen in den Evangelien, in denen erzählt wird, dass Jesus sich zurückzieht, um in Einsamkeit und Stille zu beten.
Eine Schlüsselstelle hierfür ist die Verklärung Jesu in der Fassung des Lukasevangeliums (9,28b–36). Kurz zuvor spricht Jesus von seinem Leidensweg, der auf ihn zukommt: „Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohepriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er muss getötet und am dritten Tag auferweckt werden“ (9,22). Auch der Menschensohn Jesus – er wird hier ganz bewusst als „Menschensohn“ bezeichnet – wird also angesichts dieser großen Herausforderung seines Lebens von den typisch menschlichen Fragen und Zweifeln geplagt: Warum? Warum gerade ich? Warum mutet Gott mir das zu? Gibt es keine andere Lösung? Soll ich mir das wirklich antun?
Wir wissen, wie diese Fragen und Zweifel einem zusetzen, ja wie sie einen verrückt, denk- und handlungsunfähig machen können. An diesem Punkt kann einem bewusst werden: Jetzt kann mir nur noch helfen, das Tempo aus meinem Alltag zu nehmen, mich zurückzuziehen, versuchen zur Ruhe zu kommen und „bei meinem Freund, der mich liebt, zu verweilen“, wie Teresa von Avila (1515–1582) das Beten einmal umschrieben hat. Diesen Freund frage ich dann früher oder später: Und, mein Gott, was sagst du dazu? Was ist dein Wunsch in dieser Situation?
Allein diese Perspektive in die Gedankengänge und Entscheidungen mit hineinzunehmen, löst ein „Mehr“ an Möglichkeiten aus. Der sture Blick auf mich selbst, auf meine Ängste, Zweifel und Sorgen wird durchbrochen. Ich spüre wieder Gottes Nähe und Beistand. Und genau das lässt es mich wagen, alles, was mich ängstigt, zweifeln lässt und lähmt, vor Gott zu bringen, in die Beziehung zu ihm hineinzunehmen – und es dadurch wandeln zu lassen.
In diesen Augenblicken ist es so, als ob sich der Himmel öffnet. „Und während er betete“, heißt es im Lukasevangelium (8,29), „veränderte sich das Aussehen seines Gesichts, und sein Gewand wurde leuchtend weiß.“ Was für eine starke Wirkung! Nicht nur sein Gesicht strahlt, sondern alles strahlt an ihm. Nichts scheint mehr unklar zu sein, alles hat sich im göttlichen Licht geklärt. Ist diese Klärung vielleicht die eigentliche Verklärung? Jedenfalls enthält die lukanische Erzählung der Verklärung Jesu, die übrigens nur bei Lukas im Gebet geschieht, in ausdrucksvoller Weise die Botschaft, dass selbst Jesus, der Menschen- und Gottessohn, die Stille, die Entschleunigung, die Muße, das Ausruhen brauchte, um in schwierigen Situationen sein Leben vor Gott zu bringen, um sich zu öffnen für Gott und sein lebenshelfendes Wort. Auch hier ist unsere Nachfolge angesagt.