Die Romane, Novellen und Essays von Thomas Hürlimann sind ein Vergnügen – zuerst stilistisch und ästhetisch. Der schweizerische Schriftsteller, der in Berlin lebt, ist ein großer Erzähler. In seiner Literatur entstehen Welten, die, erfahrungsgesättigt und autobiografisch grundiert, das bürgerliche Milieu – nicht bloß der Schweiz – erkunden. Zudem schafft Hürlimann analytisch und unterhaltsam Typisierungen des Menschlichen, im augustinischen Koordinatenfeld „Gott und die Seele“. Kaum einer der renommierten Schriftsteller der Gegenwart eignet sich wegen seiner zutiefst katholischen Prägung derart zum Gespräch zwischen Literatur und Theologie beziehungsweise Religion.
Not und Notwendigkeit des Schreibens erwachsen nicht zufällig aus der Erfahrung von Verlusten gerade im Religiösen. Sie drängen zur Schreibarbeit. Diese lässt Abwesendes anwesend sein, nicht zuletzt bei Gottes Fragen mitten im Gang des Lebens und bei Knotenpunkten wie Sexualität und Liebe, Leiden und Tod. In werkgeschichtlicher Reihenfolge werden im vorliegenden Buch Hürlimanns Hauptwerke fachkundig „abgehört“ und auf religiöse Gehalte und Dimensionen hin erschlossen. So ist ein differenzierender und glänzender Kommentar entstanden, der einen neu zu den Originaltexten greifen lässt, wunderbar in ihrem hintergründigen Humor, in ihrer zärtlichen Genauigkeit und farbigen Vielfalt.
Gut, dass auch der bewegende Kreuzweg-Text „Wer könnte das Eine nicht lieben?“ von Hürlimann selbst abgedruckt ist (entstanden anlässlich seiner theologischen Ehrenpromotion in Basel). Der Band ist ein Musterbeispiel für die notwendigen Grenzgänge bei den Letztfragen, die alles Vorletzte bestimmen. Kirchliche Sprachroutine wird hier heilsam durchkreuzt.