Mehr Entwicklungshilfe sorgt dafür, dass arme Menschen – vor allem in Afrika – eher in ihren Heimatländern bleiben und nicht nach Europa auswandern möchten. Das wird in der Diskussion über die großen Migrationsströme vom Süden Richtung Norden immer wieder behauptet. Doch scheint die Bilanz keineswegs so eindeutig zu sein wie vermutet. Die „Neue Zürcher Zeitung“ hat auf amerikanische Forschungen hingewiesen, wonach manche Entwicklungshilfe nicht zu weniger, sondern im Gegenteil zu mehr Migration führt. Dies sei dann der Fall, wenn Entwicklungshilfe die Einkommen bestimmter Bevölkerungsgruppen erhöht, so dass diese „über das notwendige Geld verfügen, um die Kosten für eine Migration (Transport, Schlepperorganisationen usw.) zu finanzieren“.
Allerdings scheint es dabei eine finanzielle Obergrenze zu geben. Die liege bei 8 000 bis 10 000 Dollar Jahreseinkommen. Darüber hinaus steigende Einkommen würden dagegen Anreize bieten, im eigenen Land zu bleiben. Doch liegt das Niveau der Jahreseinkommen in vielen afrikanischen Ländern, insbesondere südlich der Sahara, meistens weit darunter, bei knapp tausend Dollar pro Jahr.
Andere Forscher, etwa vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, bemängeln an den amerikanischen Untersuchungen, dass sie nicht zwischen verschiedenen Arten von Entwicklungshilfe unterscheiden. Eine Form könne in der Tat das persönliche Einkommen kurzfristig erhöhen. Weitaus bedeutender sei und werde zunehmend allerdings eine zweite Form der Unterstützung, welche die Qualität öffentlicher Dienstleistungen verbessert, zum Beispiel die Gesundheitsversorgung dank besser ausgestatteter Kliniken und Gesundheitsposten auf dem Land oder die Bildung dank leistungsfähigerer Schulen. Die zweite Art der Hilfe trage zwar auch zu mehr persönlichem Einkommen bei, jedoch erst auf lange Sicht. Da sie bevorzugt die Lebensqualität durch die Verbesserung der Institutionen steigere, könne sie durchaus einen Rückgang der Auswanderung bewirken, heißt es.