Die Ehe ist auch aus evangelischer Sicht mehr als nur ein weltlicher Vertrag, der zwei Personen durch Pflichten aneinanderbindet. Jedenfalls wenn man den biblischen Befund ernstnimmt. Darauf verweist der Mainzer Neutestamentler Ruben Zimmermann. Im Magazin „Zeitzeichen“ setzt er Bibeltexte über die Ehe mit einem modernen Eheverständnis in Beziehung und kommt zu dem Schluss: Ehe ist kein „weltlich’ Ding“. Sie ist mit dem Heiligen in der biblischen Tradition untrennbar verbunden.
Das wird schon in der Sprache deutlich: Im Alten Testament wird das Wort für „Verlobung“, quidduschin, vom Wort „heilig“, qadoš, abgeleitet. Auch das Wort „erkennen“, jāda, das den Sexualakt beschreibt, meint in anderen Kontexten die Gottesbeziehung. Mystik und Erotik gehören nach dem Alten Testament zusammen. Im Neuen Testament wird dies fortgeführt. Im Ersten Korintherbrief ist von einer wechselseitigen Heiligung in der Ehe die Rede (1 Kor 7,14). Paulus empfiehlt im Ersten Thessalonicherbrief, „dass jeder von euch lernt, mit seiner Frau in heiliger und achtungsvoller Weise zu verkehren“ (1 Thess 4,4). Außerdem werden im Epheserbrief die Männer dazu „aufgefordert, sich intensiv um ihre Frauen zu kümmern, sie zu nähren, zu reinigen und zu pflegen und zu lieben“ (Eph 5,25–29). Damit geht das biblische Eheverständnis weit über das griechisch-römische hinaus.
In einer christlichen Trauung kommt zu den beiden Liebenden ein Dritter hinzu: Gott, der die Ehe unter seinen Segen stellt, und zwar auf Lebenszeit. Trotzdem gelingen Ehen nicht immer, auch das Neue Testament kennt gescheiterte Ehen und Trennungen. Gerade deswegen fordert Zimmermann, dass wir „barmherzig Menschen begleiten, die gescheitert sind, und dennoch weiter von der Hoffnung einer lebenslangen Ehe sprechen“.