Überlegungen zur Priesterweihe von FrauenUnfehlbar trotz fehlbarer Argumente?

Erwägungen zur Frage der Priesterweihe von Frauen.

Ein Christ ist kein Solist, er glaubt in Gemeinschaft. Hier empfängt sein Glaube Anteil am Gottesverhältnis Jesu. Dieses Geschenk wird durch die Umwälzungen der Geschichte hindurch überliefert. Dazu aber wird ein Lehramt benötigt, da die Bibel nicht für alle Fragen späterer Zeit Antworten bereithält. Vieles ist nur erschließbar. Details und Konsequenzen des Glaubens müssen entfaltet und gegen Missverständnisse gesichert werden. Ein Lehr- und Schiedsamt, wie es der Apostel Paulus in der Frühzeit bei Streitfragen in den Gemeinden kompetent ausübte, soll dem Glauben auf dem Weg helfen.

Daher forderte das Zweite Vatikanische Konzil „religiösen Gehorsam“ für die „mit der Autorität Christi ausgerüsteten“ Bischöfe und deren Vertreter, für den Papst „ehrfürchtige Anerkennung“ und „aufrichtige Anhänglichkeit“ (Konstitution über die Kirche, Nr. 25). Der Sprachstil befremdet heute viele, bleibt aber nicht ohne Wirkung.

Nach der Bibel gebührt Gott Ehrfurcht – jir’ah im Alten Testament, phóbos im Neuen Testament. Seinen Boten nur, soweit sie beglaubigte, glaubhafte Zeugen seiner Botschaft sind. Ihre Autorität hängt daran, dass ihr Zeugnis als dasjenige Gottes selbst erkennbar ist. Auch sie sind zuerst Hörend-Glaubende und geben das von ihnen Gehörte und Geglaubte an jene weiter, zu denen sie gesandt sind. Bibel und Tradition (Übergabe, Überlieferung) sind nur insoweit maßgebend, als sie den Menschen Gottes Selbstgabe in Christus übergeben. Biblisch genährte Überlieferung ruft zur Teilnahme an Christi Sendung, der sich selbst in Wort und Tat für Israel und die Völker der Welt überliefert.

Gehorsam ist nicht blind

Die Hochachtung, die sie Amtsträgern schulden, befreit die Gläubigen nicht davon, dass sie eigene Einsicht in die Glaubenswahrheit und deren Konsequenz erwerben und vertiefen. Diese wird vorausgesetzt. Glaube ist nicht blind, sondern verstehend, er bejaht, was ihm als wahr aufleuchtet. Glaubensgehorsam ist keine „Blankovollmacht“, sondern auf das als wahr Erkannte gerichtet. Wer das, was er glaubt, für unwahr oder widersinnig hält (was vorkommt), sündigt gar, da er (wie die Paradies-Schlange) Gott Täuschung unterstellt. Für Thomas von Aquin sind Gehorsam, Gott, Wahrheit untrennbar verbunden: Christen glauben mit Willen, mit Verstand, tiefer noch, mit (gebildetem) Gewissen.

Vor diesem Hintergrund begreift man die breite, bis heute nicht verstummte Aufregung, die Papst Paul VI. auslöste, als er 1968 mit Berufung auf den „Gott der Liebe“ forderte, ausnahmslos jeder eheliche Akt müsse offen bleiben für die Zeugung neuen Lebens. Zwar nannte er Argumente, forderte aber – ausdrücklich von Priestern – auch „loyalen Gehorsam … nicht nur wegen der angeführten Beweise …, sondern vielmehr wegen der Erleuchtung des Heiligen Geistes, mit der in besonderer Weise die Hirten der Kirche zur klaren Auslegung der Wahrheit begnadet“ seien. Die voraussehbar breite Opposition gegen diese Sicht betrachtete der Papst als Angriff auf „die Kirche“: Sie teile das Schicksal ihres „göttlichen Stifters“, der das „Zeichen“ sei, „dem widersprochen wird“.

Das päpstliche Schreiben verstörte, schien es doch zu sagen, es gebe abseits der Argumente noch eine besondere Erleuchtung für die „Hirten der Kirche“, die für einfache Gläubige nicht überprüfbar sei. Tatsächlich genügt es dem Glaubensgehorsam der Gläubigen nicht, dass Papst und Bischof von ihrer Lehre überzeugt sind. Sie muss – nach einer Zeit des Nachdenkens – auch von den angesprochenen Gläubigen verstehbar sein als (Teil-)Inhalt der Selbstoffenbarung Gottes in Christus statt als Bevormundung oder „doktrinäres Kommando“, wie es der Theologe Otto Hermann Pesch einmal formulierte.

Päpstlicher Zirkelschluss

Ein ähnliches Problem stellt sich mit dem päpstlichen Veto gegen die Priesterweihe von Frauen. Seit Paul VI. versichern die Päpste, Christus habe „es so festgelegt“. Er habe die erwählt, „die er wollte“ (Mk 3,13), „gemäß dem ewigen Plan Gottes“. So sagte es auch Papst Johannes Paul II. in der Erklärung „Ordinatio Sacerdotalis“ von 1994. Ebenso bestätigte sein Nachfolger, dass die Kirche für die Priesterweihe von Frauen „keine Vollmacht vom Herrn erhalten“ habe.

Zuletzt beklagte eine auf Mai 2018 datierte Erklärung von Kardinal Luis Ladaria, dem Präfekten der Glaubenskongregation, die noch immer aufflackernden Zweifel an der „endgültigen“ Ablehnung der Ordination von Frauen durch die letzten Päpste. Summarisch heißt es, Christus habe zum Aposteldienst nur Männer berufen; das Mann-Sein der Priester sei unverzichtbar, da sie Christus als „Bräutigam der Kirche“ durch die Sakramente vergegenwärtigen.

Dazu einige rückfragende Überlegungen: Reifer Gehorsam bezieht sich nie bloß auf einen nackten Willen, und sei es der vermeintliche Wille Gottes. Bereits Paulus stellt seine persönlichen Vorlieben vor Gottes Weisheit zurück, der seine Liebesgaben (Charismen) unterschiedlich austeilt. „Ich wünschte … Doch jeder hat seine eigene Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so“, schreibt er im Ersten Korintherbrief (7,7).

Für die Päpste ist die Gewährung des Weihesakraments gebunden an die geschichtliche Vorentscheidung Jesu, nur Männer zu Aposteln berufen zu haben. Dabei wird unterstellt, es handle sich um die Entscheidung des Gottessohnes, und man folgert, Jesu Wahl folge dem „ewigen Plan Gottes“. Hier scheint aber ein Zirkelschluss vorzuliegen: Was man beweisen will – die Wahl der Männer war Gottes Wille –, wird vorausgesetzt (Jesus war Gottessohn) und wieder gefolgert (der Gottessohn wählte). Dabei wird der Mensch Jesus unter der Hand verflüchtigt. Doch ist kirchlicher Glaube seit alters überzeugt, dass Jesu göttlicher Ursprung sein Menschsein gerade nicht verkürzte, wie Geburt und Leiden beweisen. Christlicher Glaube enthält die nüchterne Gewissheit: Es gab Handlungen Jesu, die durch Raum, Zeit und Tod begrenzt waren, deren göttliches Gewicht daher zeitgebunden-vergänglich war.

Papst Johannes Paul II. erklärte, Jesus habe „völlig frei und unabhängig“ gewählt, sei vor Frauen nicht befangen gewesen trotz der „herrschenden Sitten“ seiner Zeit. Diese Begründung meint wohl, ein Kriterium zu kennen, das in den Evangelien Tun und Wollen des „Gottessohnes“ (eine „ipsissima voluntas“, ein ureigener Wille Jesu?) von dem des „Menschensohnes“ gut unterscheiden könne. Wer meint, Jesus engagiere sich göttlich, wo er unbeeindruckt vom Zeitgeist handelt, fordert die Frage heraus, ob diese Unterscheidung nicht die Person spaltet, das heißt die Unteilbarkeit der Person Jesu Christi aufhebt.

Die Evangelien, verfasst im Licht seiner Auferweckung, nehmen Jesu ganzes Leben in den Blick, veranschaulichen, wie er dachte, sprach, handelte als Mensch und Israelit seiner Zeit, wie er lernte aus Begegnungen mit Jüngern, Frauen, Gegnern, „Heiden“; wie er erst vor und in Jerusalem ahnte und erkannte, welch bitteres Ende seine Sendung durch den „Vater“ nehmen wird. Details seines Redens und Tuns sind häufig im spirituellen und sozialen Kontext Israels verortet. Jesu gesamte Existenz, seine Lebens- und Sterbe-„Leistung“ offenbart, österlich beglaubigt, das lebendige Antlitz des „Vaters“, ist als Wort Gottes und Epiphanie seines Erbarmens verstehbar.

Was alles hinfällig wurde

Die päpstlichen Verlautbarungen bedenken nicht, dass die Kirche Jesu Wahl der zwölf Jünger schon früh interpretierte. Sie entschied: Die Wahl von zwölf Männern war situativ (für die Nachfolger eine belanglose Zahl), von Beruf Fischer (keine künftige Bedingung), Juden, verheiratet (bedeutsam für die Auslegung von Jesu Eunuchen-Wort im 19. Kapitel des Matthäus-Evangeliums), deren Sprache Aramäisch, vielleicht etwas Griechisch, war. Profile derer, „die er wollte“. Auch sah sich Jesus „nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt“. All das sind Grenzen der Urwahl Jesu, die die frühe Kirche außer Kraft setzte.

Jesu Wahl der zwölf Jünger war, exegetisch unstreitig, ein vorösterlicher Akt zur Sammlung Israels. Ziel war die von Gott kommende Erneuerung des Bundes für das Zwölf-Stämme-Volk, wie sie die Exils-Propheten angekündigt hatten. Für diese real-symbolische Wahl kamen nur Männer in Frage, die die Stammväter Israels repräsentierten. Die Öffnung des österlich begründeten „neuen Bundesvolkes“ für die Weltvölker durch Missionare wie Paulus und Barnabas machte die Realsymbolik der zwölf Männer hinfällig, wie auch die Entscheide des „Apostelkonzils“ belegen (Apg 15).

Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, dass man Jesu einstiger Wahl männlicher Sendboten für Israel unterstellt, sie zeige Gottes „ewigen Plan“, wobei man stillschweigend die Zwölf-Zahl vom „ewigen“ Plan ausnimmt. Dass vorwiegend Männer (dank kräftiger Mithilfe von Frauen) Gründung und Führung heidenchristlicher Gemeinden besorgten, hatte kulturhistorische Ursachen.

Ein weiteres Gegenargument: Selbst Maria, die Mutter Jesu, sei nicht wie die Jünger zum Apostolat berufen worden. Nun, obwohl „Jungfrau“, war sie keine junge Frau mehr. Papst Johannes Paul II. überraschte einmal mit der Anregung, es zieme sich zu glauben, der Auferstandene sei zuerst seiner Mutter Maria erschienen (wofür es im Neuen Testament keinen Beleg gibt). Will man dies glauben, wäre auch Maria gesandt worden. Denn die österlichen Erscheinungen beinhalten ausnahmslos Sendung und Auftrag. Die Oster-Erscheinungen zeugten Apostel. Die Auferstehungszeugin Maria Magdalena, früh „Apostelgleiche“ genannt, wird heute mit einem Fest geehrt, da Christus selbst ihr die Verkündigung seiner Auferstehung übertrug (Joh 20,17–18).

Aber die „konstante Praxis“ der Kirche, zweitausend Jahre lang nur Männer zu weihen? Die Kirche ratifizierte im letzten Konzil Erkenntnisse, die sie zweitausend Jahre lang offiziell nicht hatte. Schon die frühe Kirche hatte den Mut, sich von gesetzlichen Vorgaben zu trennen, die Jesus und seine Jünger noch achteten: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch (neue Christen)“ von Traditionen weitgehend „zu entlasten“ (Apg 15,28). Petrus musste von Gott gedrängt werden, von bestimmten Traditionen zu lassen (Apg 10,10–23).

Der inzwischen verstorbene brasilianische Benediktiner und Erzbischof Clemente Isnard, einst „Konzilsvater“, bezeugte, neunzigjährig, im Rückblick auf seine lange pastorale Erfahrung: auch Frauen – Ordensfrauen, Katechetinnen – empfingen das Charisma der Gemeindeleitung (manche Priester empfingen es nicht). Oft mache der „Machismo“ die Männer der Kirche blind für Gottes Wege.

Der Priester ist auch „Braut“

Kardinal Ladaria konzentrierte die Begründung des „Nein“ auf die Metapher vom „Bräutigam“ Christus. In der Tat erscheint Jesus in den Evangelien, verglichen mit dem Vorläufer Johannes, als Bräutigam. Das Bildwort bekundet: Gott hat sich Israel in Liebe neu zugekehrt. Mit den Metaphern Bräutigam und Braut illustrieren die Propheten gelegentlich Gottes Bund mit Israel. Daher sieht die Johannes-Apokalypse das endzeitliche Jerusalem im Bild der Braut Gottes und des „Lammes“.

Der Epheserbrief bezieht die frühe Formel von Christus, „der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat“, auch auf das Verhältnis von Christus und Kirche (Eph 5,22.32), was frühchristliche Theologen zu tiefsinnigen Reflexionen über Urbilder bewog. Aber die Gleichsetzung Christus = Bräutigam, Kirche = Braut im Brief macht Probleme. Sie ruht auf fragwürdigen Prämissen: 1. Unterordnung der Frau unter den Mann („Haupt“), 2. der Mann (Bräutigam) als Gebender, die Braut (Kirche) als die in Hingabe Empfangende. Auch Maria als Vorbild der Kirche wird so gesehen.

Seit Sexualforschung und Vererbungslehre gilt aber: Das „Ja“ der Braut trägt zur Frucht der Vereinigung nicht weniger bei als das „Ja“ des Bräutigams. Gilt das nicht abgewandelt für die „vom Heiligen Geist überschattete“ Frau, die den Menschen Jesus gebar und ernährte, Teilaspekt also der „ursprünglichen Sprache des Mann- und Frau-Seins“ ist (Ladaria)?

Wird nun, bezogen auf diese Metapher, der Frau als vermeintlich rein passivem Teil die Fähigkeit abgesprochen, den „Bräutigam“ zu repräsentieren, kann es nicht ausbleiben, dass sie sich und ihr Vermögen als Frau zurückgesetzt, in ihrer Gottebenbildlichkeit nicht ernstgenommen fühlt.

Jeder Priester symbolisiert ja nicht nur das „Ja“ des Bräutigams zur Kirche, sondern zugleich das „Ja“ der Kirche (traditionell: der „Braut“) zu Christus, symbolisiert also auch die „Frau“. Das sollte spiegelbildlich auch für eine Frau gelten …

Nicht Buchstabe, sondern Geist

Es scheint, als müsse die amtliche Begründung des „Nein“ zur Frauenordination überdacht werden. Die „definitive“ Zurückweisung durch die letzten Päpste macht ratlos. Wie kann eine Erklärung bindend, endgültig sein, wenn die Begründung weder konsistent noch einsichtig erscheint? So wird landauf, landab gefragt. Müsste eine definitive Entscheidung nicht Gründe vorlegen, die verständige Gläubige einsehen, zumal eine Lehrentscheidung nur endgültig (unfehlbar) sein kann, wenn sie als Gottes Botschaft in Christus eindeutig erkennbar ist – und zwar nicht nur für Spezialisten, eine Minderheit, sondern für „alle Menschen Seines Wohlgefallens“?

Der vielerorts chronisch gewordene Priestermangel hemmt den universalen Missions-/Zeugnis-Auftrag der Kirche. Der Apostel Paulus bezeugt „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“ (1 Kor 9,16) und bekennt, er sei allen alles geworden, „um mit alldem (wenigstens) einige zu retten“ (1 Kor 9,19–23). Die Auflösung vieler Gemeinden, Entchristlichung von Landstrichen und Städten wirft die Frage auf, ob eine Kirchenleitung, die nur einen Typ Priester – den ehelosen Mann – zur Weihe zulässt, verheiratete Priester aber ebenso verwirft wie weibliche Priester, Christi Missionsauftrag faktisch so interpretiert, als dürfe sie wählen, ob sie den Auftrag vollumfänglich, mit allen Kräften, oder nur nach Ermessen erfüllt.

Die gelobte Emanzipation mündiger Christen in Gemeinden ohne Priester hat Grenzen. Gottes Klage in Prophetenmund, von Jesus aufgenommen, ist nicht verhallt: „Weil sie keinen Hirten hatten, zerstreuten sich meine Schafe und wurden eine Beute der wilden Tiere“ (Ez 34,5; Mk 6,34).

Im Wort des Apostels „Wir sind Diener nicht des Buchstabens, sondern des Geistes“ steckt eine unerschöpfliche Einsicht, die herausfordert (2 Kor 3,6). Sie tut das zumal in einer Zeit, in der die Menschen sich bewusst wurden, dass sie, unbeschadet der Schöpfertat Gottes, Spezies einer universalen kosmischen Evolution sind, die sich fortsetzt.

Die Christenheit steht vor der Alternative: Entweder sie öffnet sich dem „je immer größeren Gott“ – oder sie versteinert zum Fossil. Derselbe Papst, der glaubte, ein „endgültiges“ „Nein“ zur Frauenordination sprechen zu müssen, half mit, den Konflikt um Galileo Galilei nach 360 Jahren beizulegen. Johannes Paul II. erklärte öffentlich: Galilei war „merkwürdigerweise weitsichtiger als seine theologischen Gegner“, die nicht „zwischen der Heiligen Schrift und ihrer Deutung zu unterscheiden“ wussten. Es gab kirchliche Entscheide, die nur in einem überholten Weltbild Geltung hatten.

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