Islam und Christentum – zwei Religionen, deren Beziehung oft von Krieg und Streit geprägt war. Dabei ist den beiden abrahamitischen Religionen das Wesentliche gemein: der Glaube an den einen Gott. Der Benediktiner Anselm Grün und der Professor für islamische Philosophie Ahmad Milad Karimi wollen Brücken zwischen den Religionen schlagen. Sie sind überzeugt, dass „über alle theologischen Differenzen hinweg, die Spiritualität das eigentlich Verbindende ist“. Die Fragen des Lebens sind immer die gleichen: Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Was ist richtiges Handeln? Worin besteht der Sinn des Lebens? Leitend ist das Interesse an den Antworten des jeweils anderen. Den anderen überzeugen oder die Religionen vermischen möchten sie nicht. Auch schwierige Themen und Kritik werden nicht ausgelassen.
Das Buch beginnt mit „Stolpersteinen“, Inhalten einer Religion, die für die andere schwierig zu verstehen sind. Karimi beantwortet zum Beispiel Fragen zum Gewaltproblem, zum muslimischen Gottesverständnis oder zum Einfluss der Religion auf die Integration in nichtmuslimische Gesellschaften. Grün erklärt unter anderem, wie Gott aus christlicher Perspektive Mensch werden konnte, wie die Dreifaltigkeit verstanden wird und welche Rolle die Erbsünde spielt.
Die Autoren wechseln sich auch bei der Behandlung weiterer zentraler Themen ab. Beiden ist wichtig, nicht von „dem“ Christentum oder „dem“ Islam zu sprechen. In jeder Religion gibt es verschiedene Strömungen und Ausrichtungen. Und so muss man einschränkend festhalten, dass auch Grün und Karimi nur für einen Teil ihrer Religion stehen. Deutlich wird das im Kapitel „Mann – Frau – Geschlechterbeziehung“. Beide Autoren vertreten die Ansicht, dass Frauen und Männer aus theologischer Sicht gleichwertig und gleichberechtigt sind. „Im Angesicht Gottes gibt es weder eine geschlechtsbezogene noch eine anderweitig begründete Bevorzugung“, schreibt Karimi, trotz Koransuren, die empfehlen, „widerspenstige“ Frauen zu schlagen. Für Grün gibt es „keine stichhaltigen Gründe, Frauen vom Priesteramt auszuschließen“.
Trotz einiger bemühter Versuche, kontroverse Kanten abzuschleifen, ist das Buch lesenswert. Es zeigt, dass interreligiöser Dialog zu mehr Verständnis führen kann. Im Schlusswort heißt es: „Beide Religionen haben den Frieden als zentrale Aufgabe von Gott bekommen. Daher müssen wir uns gemeinsam für den Frieden einsetzen, anstatt wieder in alte Muster von Religionskriegen zurückzufallen. Wir sollten heute verstärkt die gemeinsame Verantwortung für die eine Welt wahrnehmen, damit diese Welt menschlicher und barmherziger wird und sich für Gott öffnet, der das Heil aller Menschen will.“