Die Unterscheidung: Jahwe – Allah

Der amerikanische Theologe, Bibel- und Literaturwissenschaftler Jack Miles hat bereits zwei Bücher über den jüdischen und christlichen Gott verfasst, in denen er das Alte und Neue Testament als Klassiker der Weltliteratur versteht: „Gott. Eine Biographie“ und „Jesus. Der Selbstmord des Gottessohnes“ (bei Hanser). Nun hat er seine Trilogie mit „Gott im Koran“ abgeschlossen. Doch dieses dritte Buch über „Allah“ ist viel bescheidener als die beiden anderen, sowohl inhaltlich als auch vom Anspruch her. Obwohl Miles Mitglied der anglikanischen Kirche ist, schreibt er nicht als Gläubiger einer Religion, sondern als Literaturkritiker. Das heißt, er betrachtet die Schrift „nicht durch Glauben, sondern durch eine Aussetzung des Unglaubens“, wie er im Vorwort schreibt. Er akzeptiert die Schrift „zu ihren eigenen Bedingungen“, genau wie wir es tun, wenn wir einen Roman lesen oder einen Kunstfilm sehen. Diese Einstellung, eine Religion nach ihren je eigenen Regeln zu verstehen, fordert Papst Franziskus auch vom Dialog der Religionen.

Das Buch konzentriert sich auf die Abschnitte des Koran, die weitgehend biblische Geschichten wiedergeben und zwei Drittel des gesamten Textes ausmachen. Muslime glauben, dass der Koran Allahs Revision und Korrektur der Bibel ist. Miles betrachtet daher die Unterschiede zwischen den Gottesvorstellungen, zwischen dem islamischen Allah und Jahwe-Elohim. Das untersucht er in den koranischen Texten anhand der Gestalten Adam und Eva, Kain und Abel, Noah, Abraham, Joseph, Moses, Jeremias und Jesus.

Laut dem Koran ist der Mensch, anders als in der Bibel, nicht nach Gottes Bild geschaffen. Daher kann ein Muslim kaum eine „familiäre Beziehung“ zu seinem Gott haben. Abgesehen von den theologischen Differenzen weisen die koranischen Bibelerzählungen aus literarischer Sicht weniger Lücken auf. Aber gerade diese machen die hebräische Bibel so faszinierend. Das Unbeantwortete, Unvollständige, Ausgesparte gibt der Heiligen Schrift ihre faszinierende Zweideutigkeit, Ironie und Spannung. Während sich in den jüdisch-christlichen Geschichten die Moral – wenn überhaupt – erst am Ende offenbart, stellt die koranische Version sie an den Anfang, was die Dramaturgie mindert. Die koranischen Korrekturen wirken nach Miles‘ Urteil wie schlechte Plagiate gegenüber der literarischen Kunst des Urtextes.

Gemäß der literaturwissenschaftlichen Sicht des Verfassers ist der Koran künstlerisch nicht annähernd so hoch entwickelt wie die Bibel. Aber darauf kommt es letztlich nicht an, da der Koran im Glauben der Muslime eine Botschaft ist, die in erster Linie gehört und rezitiert werden soll und nicht als Erzählung mit literarischem Genuss gelesen oder gar kritisch reflektiert werden muss.

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Miles, Jack

Gott im Koran

(Carl Hanser Verlag, München 2019, 288 S., 26 €)

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