Das Grundlagenwerk orthodoxer dogmatischer Theologie von Metropolit Hilarion Alfeyev erscheint bereits in dritter Auflage in deutscher Übersetzung. Das russische Original hat elf Auflagen erreicht. Diese Popularität zeugt vom Bedarf an gut lesbarer Einführungsliteratur in den Kern russisch-orthodoxer Glaubenslehre. Metropolit Hilarion, Leiter des kirchlichen Außenamtes des Moskauer Patriarchats und Komponist großer geistlicher Werke, bezeichnet das Buch selbst als sein theologisches Erstlingswerk. Es ist bereits in den neunziger Jahren erschienen, weil es damals keinerlei zeitgemäße Grundlagenliteratur für die Ausbildung an den Priesterseminaren gab. Inzwischen haben die russische orthodoxe Kirche und auch Metropolit Hilarion selbst zahlreiche äußert umfassende Lehrbücher zu verschiedenen dogmatischen Themen publiziert. Dennoch sticht die vorliegende Einführung in die orthodoxe dogmatische Theologie durch ihre Kürze und gleichzeitige Tiefe hervor.
In elf Kapiteln stellt der Autor die zentralen Themen dar: die Suche des Glaubens, Gott, die Dreieinigkeit, die Schöpfung, den Menschen, Christus, die Kirche, die Sakramente, das Gebet, die Vergöttlichung und das Leben des kommenden Äon. Jedes Kapitel wird durch Schlüsseltexte aus der patristischen Literatur ergänzt, auf die sich der Text zuvor maßgeblich bezieht. In den einzelnen Kapiteln wird auch auf Brüche in der Entstehung bestimmter Traditionen hingewiesen, zudem werden der Einfluss und die Abgrenzung von Lehren der westlichen christlichen Traditionen thematisiert. Ohne sich in dogmatische Details theologischer Streitpunkte zu verlieren, wird so ein umfassender Überblick über zentrale Themen der orthodoxen Glaubenslehre möglich.
Da in der öffentlichen Wahrnehmung aktuell die Verstrickungen orthodoxer Kirchen in politische Zusammenhänge vorherrschen, ist die Erinnerung an den theologischen Kern der orthodoxen Tradition ein notwendiges, aber auch schwieriges Unterfangen. Bei der Lektüre von „Geheimnis des Glaubens“ sucht man vergebens nach direkten Antworten auf konkrete Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Dennoch lässt diese Darstellung des Reichtums der orthodoxen Glaubenslehre erahnen, dass die aktuelle Politisierung besonders der russischen Orthodoxie zu kurz greift.