Während der streng evangelikal orientierte brasilianische Staatspräsident Jair Bolsonaro den progressiven katholischen Bischöfen und befreiungstheologischen Strömungen kritisch gegenübersteht, hat er an einer Weihe der Republik an das Unbefleckte Herz Mariens von Fatima teilgenommen. Den Kultakt vollzog der traditionalistisch ausgerichtete, jedoch in Verbindung mit Rom stehende Bischof Fernando Areas Rifan im Präsidentenpalast von Brasilia. Der straff für Recht und Ordnung eintretende Bolsonaro betrachtet die Militärdiktaturen Brasiliens als Vorbild zur sittsamen Disziplinierung des Landes und seiner Bevölkerung. Er wird vor allem von den stark angewachsenen evangelikalen und pfingstlerischen Gemeinschaften und den zahlreichen entsprechend religiösen Parlamentariern unterstützt.
Allerdings will es sich Bolsonaro, der den Karneval wegen seiner unmoralischen Ausschweifungen verabscheut, nicht ganz mit dem Katholizismus verderben, der angesichts des Booms neureligiöser Bewegungen dramatisch schwächelt. So hat Bolsonaro die Weihe Brasiliens an Maria zugelassen und das damit verbundene Dokument selber unterzeichnet. Die Zeremonie, so heißt es seitens der traditionell katholischen Veranstalter, sei „eine Antwort auf die von Unserer Lieben Frau von Fatima überlieferten Bitte, eine Geste zu wiederholen, die von mehreren Päpsten und mehreren Nationen im letzten Jahrhundert durchgeführt wurde“.
Bolsonaro steht an der Spitze einer national-konservativen bis rechtspopulistischen Strömung, die große Teile der katholischen Kirche wegen ihres sozialen Engagements für die Armen als links, ja kommunistisch verdächtigt. Von der Bischofskonferenz ist Bolsonaros liberalistischer Wirtschaftskurs bei gleichzeitiger Rücknahme sozialer Leistungen für die Ärmsten kritisiert worden. Die evangelikalen und pfingstlerischen Gemeinschaften, die eine strikte Individualmoral predigen und die von ihren Mitgliedern – besonders den Männern – sexuelle Treue, Fleiß, Leistungswillen, Sparsamkeit und familiäre Verantwortung gegenüber Frau und Kindern verlangen, sehen in Bolsonaro einen Hoffnungsträger. Er gehe, so die Erwartung großer Teile des Volkes, das ihn im letzten Oktober mit 55 Prozent der gültigen Stimmen gewählt hat, rigoros gegen Schlamperei, Korruption und gegen die Drogen-Mafiakriminalität vor.