Der Papstbrief an die Deutschen

Dass Papst Franziskus dem „pilgernden Volk Gottes in Deutschland“ einen Brief geschrieben hat, in dem er Kriterien für den geplanten „synodalen Weg“ aufstellt, ist von allen Seiten begrüßt worden. Es hat gerade bei vatikanischen Schreiben ja System, dass jeder das herausliest, was er herauslesen will. Der Brief sei ein „Zeichen der Wertschätzung“, erklärten etwa Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, und der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Größere Freude dürfte freilich auf konservativer Seite herrschen, vor allem in Köln, Regensburg und Augsburg – dort also, wo man den in der Bischofskonferenz gemeinsam beschlossenen Weg von Anfang an kritisch gesehen hat. „Synodaler Prozess: So nicht!“, ist zum Beispiel die Stellungnahme des Regensburger Generalvikars Michael Fuchs überschrieben. Nach dem Papst-Wort brauche es „eigentlich … eine komplette Neufassung“ des ganzen Wegs, schreibt er auf der Webseite seines Bistums. „Vieles, was im Vorfeld … geäußert wurde, ist geprägt von der Angst, den Anschluss an die plurale Welt zu verlieren, und der Absicht, die Kluft zwischen Kirche und Lebenswirklichkeit zu schließen. Dieser Argumentation entzieht Papst Franziskus deutlich den Boden.“

Tatsächlich überwiegen im Papstbrief die mahnenden Worte. Gewarnt wird vor „Eigenbrötelei und ideologischen Tendenzen“. Der synodale Prozess müsse ein gemeinsamer Weg „mit der ganzen Kirche unter dem Licht des Heiligen Geistes“ sein. Der Sensus Ecclesiae, also das Einfühlen in den Glaubenssinn der Kirche, müsse der Maßstab sein. Zudem solle man sich vor der Versuchung hüten, zu sehr auf Strukturveränderungen zu schauen. „Sooft eine kirchliche Gemeinschaft versucht hat, alleine aus ihren Problemen herauszukommen, und lediglich auf die eigenen Kräfte, die eigenen Methoden und die eigene Intelligenz vertraute, endete das darin, die Übel, die man überwinden wollte, noch zu vermehren und aufrechtzuerhalten.“ Nötig sei vielmehr eine „pastorale Bekehrung“, die Evangelisierung müsse an erster Stelle stehen. Auch vom notwendigen Annehmen und Ertragen der jetzigen Situation ist immer wieder die Rede. Das „Leiden in der Kirche und an der Kirche“ sei manchmal unvermeidlich.

Bei der Bewertung des Vorgangs muss man wohl zu dem Schluss kommen, dass auch in diesem Fall traditionell konservativ orientierte Kreise im Bischofskollegium in Rom vorstellig geworden sind und den Papst zu seinem warnenden Wort gedrängt haben. Ähnlich wie es im letzten Jahr beim sogenannten Kommunionstreit der Fall war, als eine Minderheit von Bischöfen gegen die mit überwältigender Mehrheit ihrer Mitbrüder beschlossene Orientierungshilfe zum gemeinsamen Kommunionempfang eines evangelischen mit seinem katholischen Ehepartner opponierte. Jetzt scheint es also wieder so gewesen zu sein. Als der Papstbrief bei der letzten Sitzung des Ständigen Rats der Bischofskonferenz übergeben wurde, seien die meisten Bischöfe überrascht gewesen, berichtet das Kölner „Domradio“. „Einige wussten offenbar aber schon vorher etwas.“

Hinzukommen dürfte freilich auch, dass Franziskus I. die deutschen Bischöfe von einem Vorpreschen abhalten will, um sein eigenes Reformprojekt etwa bei der Amazonas-Synode im Herbst nicht zu gefährden. In dieser Situation kann er es nicht brauchen, dass die innerkirchliche Diskussion weiter angeheizt wird und seine traditionell gesinnten Widersacher auf den Plan gerufen werden. Möglicherweise bremst der Papst also die Deutschen auch deshalb in ihrem Reformeifer, um Weniges auch wirklich durchsetzen zu können.

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