Die klassische Pfarrgemeinde passt nicht mehr zur Lebenswelt der Menschen von heute. Von daher ist es auch nicht weiter tragisch, dass sie immer mehr verschwindet. Ja, es ist letztlich sogar eine Chance, neue kirchliche Angebote zu entwickeln. So heißt es inzwischen oft in Kirchenkreisen. Wegen des extremen Priester- und Gläubigenmangels brauche man andere Gemeindemodelle als das Territorialprinzip. Gegen diese Sicht hat sich jetzt der Journalist Volker Resing gewandt. Wer so spreche, sei realitätsfern. „Nähe ist durch nichts zu ersetzen, auch nicht durch Mobilität“, schreibt der Chefredakteur der „Herder Korrespondenz“ auf „katholisch.de“. Besonders kritisiert er, wenn von den Verantwortlichen in der Kirche „die eigene institutionelle Unfähigkeit spiritualisiert“ werde.
Anlass für Resings Wortmeldung ist ein Diskussionsbeitrag des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf. Dieser hatte bei der Tagung „Bistümer im epochalen Umbruch“ dazu aufgerufen, das traditionelle Bild der Ortsgemeinde „neu zu denken“. Neunzig Prozent der Katholiken würden durch eine territoriale, an einen festen Ort gebundene Pfarrei nicht mehr erreicht. Sie bräuchten sie schlichtweg nicht mehr. Es sei deshalb niemandem gedient, dieses „alte Ideal“ aufrechtzuerhalten. Auch in anderen Bistümern gibt es entsprechende Überlegungen und Veränderungen der Seelsorgestrukturen. Das bedeutet stets: Die Pfarreien werden immer größer, unpersönlicher.
Nach Überzeugung Resings ist die überschaubare Ortsgemeinde aber nach wie vor die sinnvollste Organisationsform für die Seelsorge. „Die meisten Menschen in Deutschland leben mit einem festen Wohnsitz, und so ist es auch für die Kirche und den Glauben gut, feste und beständige Orte des kirchlichen Lebens anzubieten.“ Dass die Abschaffung der „Kirche im Dorf“ oft mit der Phrase von der „mobiler werdenden Welt“ begründet wird, lässt den Journalisten spitz fragen: „Was soll das eigentlich heißen? Dass die meisten Menschen jetzt in Wohnmobilen leben oder in Zelten?“
Entschieden wendet sich Resing dagegen, die strukturellen Veränderungen in den Bistümern „mit einem pastoralen oder theologischen Zuckerguss auch noch zu feiern“. Die Bischöfe sollten offen und ehrlich erklären, dass sie die Pfarreien nur deshalb größer machen, weil es zu wenige Priester gibt und sie die Zugangsvoraussetzungen für das Amt auch nicht ändern wollen. „Wenn es, aus welchen Gründen auch immer, einen Überfluss an Priestern gäbe, wenn die Kirche sich vor Berufungen nicht retten könnte und dennoch die Kirchen leer wären: Ich bin sicher, dann würden die Bischöfe Ortsnähe predigen und Lokalität. Dann würde es heißen, in einer unruhigen und mobilen Welt müsse die Kirche den Gegenakzent setzen mit Verlässlichkeit und der Ortsgemeinde, in der die vielen Priester wirken könnten.“