Damit ist die Rüstungsexportpolitik alles andere als „restriktiv und verantwortungsvoll“, wie es aus der Bundesregierung häufig heißt. Zwar wurden Ende Juni die „politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ überarbeitet, in denen es nun heißt, dass Genehmigungen für den Export von Waffen grundsätzlich nicht erteilt werden, wenn ein „hinreichender Verdacht“ besteht, dass diese zur Unterdrückung oder zu „sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen“ missbraucht werden. Dennoch befinden sich unter den ersten Zehn der Empfängerländer Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar. Platz dreizehn belegt Kuwait. Damit werden Waffen in Länder exportiert, die am Jemen-Krieg beteiligt sind.
Für den Greenpeace-Abrüstungsexperten Alexander Lurz schuldet die Regierung der Öffentlichkeit eine Erklärung dafür, „warum immer wieder und trotz der humanitären Katastrophe im Jemen deutsche Rüstungsgüter an die Kriegsparteien geliefert werden“. Deutschland mache sich mitschuldig am Tod und Leid der Menschen im Kriegsgebiet. Ähnlich sieht es die Berichterstatterin für Rüstungspolitik der FDP-Fraktion, Sandra Weeser: „Wir müssen eine offene und transparente Diskussion zum Thema Rüstungsexporte führen, statt laut Ausfuhrbeschränkungen zu verlangen und dann Exporte in Krieg führende Drittländer durchzuwinken.“ Auch der Leiter des katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, kritisierte die Exporte: Die „doppelbödige Politik“ gegenüber den Staaten der Jemen-Kriegskoalition untergrabe die rüstungsexportpolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands.
Das Thema Aufrüstung wurde auch auf der Jahrespressekonferenz von Caritas international besprochen. Caritaspräsident Peter Neher sprach von einer „weltweiten Aufrüstungsspirale“ mit „dramatisch steigenden“ Militäretats. Viele Länder orientierten sich an dem von der Nato festgelegten Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufzuwenden. Neher forderte deswegen die neue Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf, diesen Wert zu hinterfragen: „Diese Zahl ist nie gesellschaftspolitisch diskutiert worden, und dennoch lässt sich die Politik in vielen Staaten förmlich von dieser Vorgabe treiben. Ich bin vielmehr davon überzeugt, dass es einen anderen Zugang zur langfristigen Friedenssicherung braucht: das gemeinsame Arbeiten daran, die Gegensätze von arm und reich, von gebildet und ungebildet, von vom Klimawandel gefährdet oder nichtgefährdet zu überwinden.“ Um das zu erreichen, schlägt Neher vor, statt die Militärausgaben zu erhöhen, knapp ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Entwicklungshilfe bereitzustellen.
Ein weiterer Schritt könnte laut der Wissenschaftsratsvorsitzenden Martina Brockmeier die Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland sein. Der Bund lässt sich bereits jetzt von diesem Forschungsbereich intensiv beraten. „Die Friedens- und Konfliktforschung ist inzwischen eine empirisch-analytische Wissenschaft, die zu Recht großen Wert auf parteipolitische Neutralität und politische Unabhängigkeit legt“, erklärt Martina Brockmeier. „Angesichts der Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufes und neuer technologischer Entwicklungen, die gerade im Cyberraum die Grenzen zwischen zivil und militärisch zunehmend aufheben, ist naturwissenschaftlich-technische Forschung und Politikberatung zwingend erforderlich.“ Ziel ist für Martina Brockmeier unter anderem, dass Deutschland mit diesem Wissen international überzeugend für Abrüstung und Rüstungskontrolle wirken kann. Dazu sollten aber auch die eigenen Rüstungsexporte noch einmal kritisch überdacht werden.