Beim Aufwachen, beim Rennen durch die Wälder, in einer Nische des Kreuzgangs oder an der Tür, wo gerade Freunde um Einlass bitten: Gott taucht auf. Aber es gibt ja diese Frage, ob und wo dieser Gott überhaupt auftaucht und ob er es mich fühlen und spüren und erkennen lässt. Oder ist dieser Auftauchende ein Vorübergänger oder Vorüberläufer, der noch nicht einmal Zugwind verursacht?
Vielleicht muss ich ihn festhalten, wenn er vorübergeht. „Ich muss dranbleiben“, könnte mein Plan für die nächsten Jahre lauten: nachgehen, nachlaufen, nachspüren, wenn er auftaucht. Dazu brauche ich Helfer, Freundinnen, Freunde, die mit mir dranbleiben wollen. Aber es gibt auch dies unvorbereitete, total plötzliche Auftauchen Gottes, dies Erschütternde, das niemand zu schildern vermag. Wir brauchen dann nicht mehr anzuklopfen. Zum Menschsein gehört es, in diesen offenen Fragen und Ungewissheiten zu leben – im Hinblick auf den, der in meiner Existenz auftaucht und mich ganz verändern wird.
Stephan Reimund Senge in: „Von der versteckten Freude“ (Himmerod-Drucke, Himmerod 2019)