In den Sportvereinen gibt es laut einer Studie des Ulmer Universitätsklinikums doppelt so viele Fälle sexuellen Missbrauchs wie in der katholischen Kirche: 200000. Trotzdem ist sexualisierte Gewalt im Sport lange ein Tabuthema gewesen – und ist es weiterhin. Das bemängelt die Kölner Sportwissenschaftlerin Bettina Rulofs vom Institut für Soziologie und Genderforschung.
Im Sport gebe es besondere Risikofaktoren, die Missbrauch begünstigen, so Bettina Rulofs in „Publik-Forum“. „Der Körper ist viel stärker präsent als in anderen Bereichen. Außerdem gibt es hier verschiedene Gelegenheiten für sexuelle Übergriffe: in der Dusche, der Umkleidekabine oder bei Massagen.“ Die Wissenschaftlerin spricht auch von geringen Hürden, als Ehrenamtlicher Jugendteams zu trainieren. Teilweise stellen Vereine Personen ohne Lizenzen ein und ohne sie zu überprüfen. Betroffene schweigen oft über die Taten, was auch mit der sexualisierten Sprache zu tun habe, die von Trainern und anderen Erwachsenen im Sport manchmal gebraucht werde. Das schaffe „ein Klima für Übergriffe“, die von den Jugendlichen dann nicht immer als solche erkannt werden.
Auch falsch verstandene Kollegialität sei ein Problem. Es gebe die Vorstellung einer „olympischen Familie“, in der man zusammenhält. Rulofs appelliert besonders an die Vereine. Noch nicht einmal die Hälfte von ihnen nehme das Thema bislang ernst, die wenigsten unternähmen wirklich etwas dagegen. Die Expertin schlägt Schulungen für Trainer vor und die Einführung von klaren Regeln. Auch solle der Blick auf die Kinder geändert werden: Ihr Wohlergehen muss immer über dem sportlichen Erfolg stehen.