In Deutschland gibt es vier Minderheitensprachen, die gemäß der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen klassifiziert und geschützt sind: Dänisch (etwa 50000 Sprecher), Ober- und Niedersorbisch (zusammen rund 20000 Sprecher) sowie Nord- und Ostfriesisch (zusammen etwa 13000 Sprecher). Die vierte haben die meisten gar nicht im Bewusstsein gespeichert, wenngleich es die – nach der Sprecherzahl gemessen – vielleicht größte Minderheitensprache ist. Sie wird von rund 50000 bis 60000 alteingesessenen deutschen Mitbürgern gesprochen, den deutschen Zigeunern, von denen einige lieber „deutsche Sinti“ genannt werden wollen und andere wiederum mit Stolz Wert darauf legen, dass sie Zigeuner sind. Diese Sprache heißt „Sintitikes“ oder auch „Sinti Tschib“. Tschib heißt „Sprache“ und -tikes ist eine Nachsilbe, die dem deutschen „-isch“ entspricht.Bei den genannten Sprecherzahlen handelt es sich samt und sonders um grobe Schätzungen; verlässliche Zählungen gibt es nicht.
Sintitikes ist eine von achtzig Romanes-Sprachen. Die Sinti bilden eine der Gruppen, die international Roma genannt werden. Dabei verhält sich Romanes zur Sprache der Sinti nicht wie Hochdeutsch zum Schwäbischen oder Bairischen. Denn so etwas wie eine übergeordnete Hochsprache mit Standardisierungen und einer allgemein akzeptierten Orthografie gibt es hier nicht – stattdessen zahllose, erheblich unterschiedliche mündliche Varianten. Genau genommen ist Romanes deshalb eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von Sprachen beziehungsweise Dialekten. Jede einzelne Sprache ist naturgemäß stark von der Sprache der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung beeinflusst, sodass sich die einzelnen Gruppen nicht ohne weiteres untereinander in ihrer Sprache verständigen können. Das einzige ernst zu nehmende Standardisierungsprojekt gibt es in Nordmakedonien, wo Romanes als eine der drei offiziellen Landessprachen anerkannt ist – neben Albanisch und Makedonisch. Unter Leitung des Erziehungsministeriums und der Philosophischen Fakultät Skopje wurde dort die „Romani Standardisation Conference“ ins Leben gerufen.
Aber bei allen Unterschieden haben die Romanes-Sprachen doch eines gemeinsam: einen zentralen Grundwortschatz, der indische Wurzeln hat. Der indischstämmige Grundwortschatz des Sintitikes beläuft sich derzeit auf etwa 700 Wörter.
Die erste Erwähnung von Roma in Deutschland stammt von 1407 aus Hildesheim. In Regensburg tauchten 1424 „Cigäwnär“ auf, wie eine lokale Quelle berichtet. Im Mittelalter gab es die wildesten Theorien über die Herkunft der Zigeuner. Viele hielten sie für Tataren oder Ägypter, weshalb sie auf Englisch noch heute gypsies genannt werden. Schon früh hatte man sich für diese Sprache und diese zunächst fremden Menschen interessiert. So veröffentlichte beispielsweise ein gewisser Andrew Borde 1542 eine Liste von Romanes-Sätzen mit englischer Übersetzung, und 1570 erstellte Johan van Ewsum von der Universität Leiden eine Wortliste mit niederländischer Übersetzung.
Ähnliche Listen gab es zu jener Zeit auch in Griechenland und in der Türkei. Aber keiner wusste damals, um was für eine Art von Sprache es sich handelte und wo deren Sprecher herkamen. Das wussten die Zigeuner selbst natürlich auch nicht. Erst im Jahre 1782 entdeckte Johann Christian Christoph Rüdiger, ein Professor aus Halle, der des Sanskrit mächtig war, die Verwandtschaft der Zigeunersprachen mit dem Altindischen. Romanes wird heutzutage zu den neuindischen Sprachen gezählt. Man nimmt an, dass die Abwanderung aus Zentralindien um 900 bis 1000 nach Christus stattfand. Die Gründe für diese Wanderbewegung sind unbekannt. Der reichhaltige persische wie griechische Lehnwortschatz spricht jedoch dafür, dass die Wanderung nach Europa über diese zwei Länder führte. Aus dem Griechischen stammen etwa die Sinti-Wörter foro, „Stadt“, aus foros, „Markt“, drom, „Straße“, aus dromos, „Straße“, skamin, „Stuhl“, aus skamni, „Stuhl“. Da sämtliche Dialekte des Romanes deutliche griechische Lehneinflüsse aufweisen, muss man annehmen, dass die Roma dort über längere Zeit siedelten, ehe sie sich in Gruppen aufspalteten und weiterzogen. Dafür spricht auch die Art des Lehnwortschatzes. So sind beispielsweise die niedrigen Zahlwörter heute noch fast alle indischer Herkunft – bis auf die Zahlen vier, sieben, acht und neun; schtar (4) ist persischen Ursprungs, efta (7), ochta (8) und enja (9) stammen aus dem Griechischen. Aus dem Indischen wiederum: jek (l), dui (2), trin (3), pantsch (5), schob (6), desch (10).