Für Landwirte ist es jetzt Zeit, die letzte Ernte einzufahren. Bei den meisten anderen aber geht es wieder neu los. In Schule, Universität, im politischen Leben und auch in der Kirche gilt ja eine andere Zeitrechnung, ein Arbeitsjahr von Sommer bis Sommer. So etwas wie Aufbruchsstimmung auszumachen, fällt freilich schwer. Gesellschaftlich, politisch entdeckt man momentan eher Zeichen der Lähmung. Die etablierten Parteien etwa sind bei den Landtagswahlen im Osten „mit einem blauen Auge davongekommen“. Aber ob dieser Denkzettel wirklich verstanden wird und die Koalitionäre in Berlin einen „Neustart“ wagen? Klimaschutz, Absicherung der Sozialsysteme, Wohnungsbau, Vermögens-Lastenausgleich, Integration … – die Liste der Aufgaben ist lang.
Und kirchlich? In einem Monat beginnt die Amazonas-Synode im Vatikan. Im Vorfeld haben etliche Beobachter hohe, vielleicht zu hohe Erwartungen formuliert. Viele hoffen, angesichts des eklatanten Priestermangels in Lateinamerika werde die Kirche die Tür für neue Zugangswege zum Amt öffnen – erst in der betreffenden Region, dann überall. Doch immer stärker opponiert die traditionell-konservative Seite gegen alle Reformkräfte. Zuletzt giftete Kardinal Robert Sarah, der Präfekt der Gottesdienstkongregation, die Amazonas-Synode dürfe nicht „aus mangelndem Gottvertrauen und pastoraler Kurzsichtigkeit heraus [entscheiden], Viri probati zu weihen, Ämter für die Frauen und andere Ungeheuerlichkeiten … zu schaffen“. Wenn der Konflikt über diese Fragen nur endlich mal offen auch vom Papst ausgetragen würde! Doch bisheriger Erfahrung nach ist Franziskus I. nicht der Mann, der es zu einer – klärenden – Eskalation kommen lassen möchte. Zu stark scheint der Wunsch, einen Bruch mit der Tradition zu verhindern. Bleibt daher am Ende alles beim Alten?
In Deutschland haben die Bischöfe einen „synodalen Weg“ angekündigt. Das wird routiniert vorbereitet. Man hat schließlich Erfahrung mit vergleichbaren Foren: Erinnert sei an die Diözesansynoden nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, an die Würzburger Synode, an die Dresdner Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR, an den Gesprächsprozess nach dem ersten Bekanntwerden massenhafter sexueller Gewalt. Jetzt, so werben die Verantwortlichen, kämen „endlich“ die ganzen Reformthemen auf den Tisch. Aber ist es nicht vielmehr so, dass man die Tischplatte längst nicht mehr sehen kann angesichts der unzähligen, gut begründeten Reformvorschläge, die seit Jahrzehnten darauf liegen? Das Einzige, was bislang Fahrt aufnimmt, sind die Kirchenaustritte. Viele Menschen kehren der Kirche den Rücken, frustriert über die Vertröstungen. Wann bewegt sich endlich etwas? Jetzt ist die Zeit, jetzt ist die Stunde, vielleicht die letzte Chance.
Wir laden unsere Leserinnen und Leser herzlich dazu ein, sich an der Diskussion über den Synodalen Weg zu beteiligen.