Der evangelische Theologe und Sozialdemokrat Richard Schröder bedauert, dass die verschiedenen Facetten der Flüchtlingsbewegung über das Mittelmeer von kirchlicher Seite nicht differenziert beurteilt werden. Oft werde schlicht zwischen Gut und Böse unterschieden. „Im ersten Schritt wird gefordert, private Seenotrettung zu forcieren, weil wir Menschen im Mittelmeer nicht ertrinken lassen dürfen. Im zweiten Schritt wird ein Feindbild aufgebaut: gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung.“ Ihm sei, so Schröder in der „Neuen Zürcher Zeitung“, keiner bekannt, der erkläre, Seenotrettung sei kriminell. „Da wird gegen jemanden gekämpft, den es gar nicht gibt.“
Das Problem sei doch, dass die Boote die europäischen Anrainerstaaten ansteuern und einfordern, dass alle Menschen dort aufgenommen werden. „Das Seerecht verlangt aber, den nächstgelegenen sicheren Hafen anzulaufen. Von der Grenze der libyschen Hoheitsgewässer aus gesehen, liegt der in Afrika.“ Man könne statt Libyen auch Tunesien ansteuern. Und: „Rettungsboote, die nach Europa fahren, liefern de facto die Dienstleistungen, für die Migranten Schlepper teuer bezahlen: eine sichere Fahrt übers Mittelmeer und illegale Einwanderung.“
Für die Retter gelte bisweilen das biblische Prinzip der Barmherzigkeit. „Aber es gibt auch die Gerechtigkeit, und die kann nicht einfach dem Herzen folgen, sondern muss nach Regeln fragen…“ Die Kirche, so Schröder, könne barmherzig sein, der Staat aber müsse „nach dem Maßstab der Gerechtigkeit handeln, auch wenn die Ergebnisse die Barmherzigen verstören“. Das könne auch bedeuten, aus Seenot Gerettete, die keine anerkannten Flüchtlingsgründe haben, in ihre Heimat zurückzuschicken.
Schröder wendet sich dagegen, als evangelische Kirche ein Rettungsschiff zu chartern (was inzwischen jedoch beschlossen ist), wenn nicht vorher geklärt wurde, wer die Geretteten aufnimmt. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann plant in Nordafrika für Flüchtlinge, die kein Aufenthaltsrecht in Europa aus sonstigen humanitären Gründen haben, Rückkehrzentren unter der Leitung der Europäischen Union und den Vereinten Nationen.