Vier Tage lang wurde in Magdeburg auf der Kirchenmesse „pastorale!“ in rund hundert Vorträgen, Workshops und Gesprächskreisen über die Zukunft der Kirche diskutiert. Hauptthema war die Rolle von Christen in einem säkular, ja atheistisch geprägten Umfeld. „Die besonderen Voraussetzungen in Ostdeutschland fordern uns heraus, darüber noch einmal intensiver nachzudenken“, erklärte der gastgebende Bischof Gerhard Feige. Infolge des „Staatsatheismus“ der DDR sind hier siebzig bis achtzig Prozent der Bevölkerung religionslos. Von diesen Zahlen sollte sich die Kirche aber nicht entmutigen lassen, so der Bischof: „Überall gibt es Menschen, die nicht nur dahinvegetieren wollen, sondern sich danach sehnen, mehr Sinn zu erfahren und erfüllter zu leben.“ Aber auch diejenigen, die mit ihrer atheistischen Weltsicht zufrieden sind und nichts vermissen, könnten „für uns zu Anknüpfungspunkten und Offenbarungsmöglichkeiten Gottes werden“.
Der Erfurter Religionsphilosoph Eberhard Tiefensee forderte in seinem Vortrag einen Perspektivwechsel: „Es geht nicht um ein ‚Comeback der Kirche‘, sondern um ‚die Anderen‘.“ Er träume von einer „Ökumene der dritten Art“ zwischen Religiösen und Nicht-Religiösen. Dazu gehöre, den Kontakt mit Andersdenkenden zu suchen und in Debatten das eigene Profil zu schärfen, ohne den jeweils anderen „bekehren“ zu wollen. Nichtgläubige dürften nicht mehr als „mangelhaft“ gesehen werden. „Auch ohne Gott lässt es sich gut und anständig leben“, so Tiefensee. Es gebe auch ohne den Glauben als moralische Richtschnur keinen auffälligen Verfall der Wertvorstellungen. Selbst Grenzerfahrungen wie schwere Krankheit oder Tod ließen sich ohne Hilfe des Religiösen überstehen. „Not lehrt nur diejenigen beten, die vorher schon beten gelernt haben.“
Verbände, Einrichtungen und Initiativen aus allen fünf östlichen Bistümern hatten sich zusammengeschlossen, um die Kirchenmesse zu organisieren. Auch aus dem Westen reisten zahlreiche Besucher an. Mit rund 1300 Teilnehmern war die „pastorale!“, gemessen an der geringen Rate der Kirchenmitglieder in der ostdeutschen Region, ein Erfolg. „Hier war ein neues Selbstbewusstsein der Kirche im Osten spürbar“, sagte Guido Erbrich, der Leiter des katholischen Roncalli-Hauses in Magdeburg. „Statt Polemiken und großen Kontroversen haben wir konstruktive, in der Sache offene Gespräche erlebt.“