Der Weg der ökumenischen Annäherung braucht „neue, mutige Schritte“. Meinungsverschiedenheiten oder sonstige Schwierigkeiten dürften davon nicht abhalten, schrieb Papst Franziskus neulich an den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I. Die Christen und vor allem ihre Hirten würden eine besondere Verantwortung für die Ökumene „gegenüber Gott und der Geschichte“ tragen. Zwar bezog sich der Bischof von Rom in seinem Brief näherhin auf die katholisch-orthodoxen Beziehungen. Vom Sinn und von seinen bisherigen Äußerungen her ist das jedoch auch auf das katholisch-evangelische Verhältnis zu übertragen.
Wieviel Mut aber braucht es für Neues? Seit mehr als einem halben Jahrhundert haben herausragende Theologen ökumenische Pionierarbeit geleistet: Hans Küng zum Beispiel bereits in den fünfziger Jahren mit seinem epochalen Werk über die Rechtfertigung im Dialog mit Karl Barth, dann während des Konzils in unzähligen Vorträgen besonders in Amerika, was sich fruchtbar auf das Ökumenismus-Dekret auswirkte; Karl Rahner und Heinrich Fries mit ihren Schlussfolgerungen und Thesen zur Einigung der Kirchen als reale Möglichkeit; auf evangelischer Seite unter anderem Wolfhart Pannenberg und Eberhard Jüngel – bedeutende Annäherungen, deren Ergebnisse 1999 trotz widriger Umstände und zum Teil erheblichen Widerspruchs evangelischer Theologen in die gemeinsame katholisch-lutherische Erklärung und eine bestätigende gemeinsame Feststellung zur Rechtfertigungslehre einflossen.
Bereits 1946 hatten sich ein katholischer und ein evangelischer Arbeitskreis im Ursprungsland der Reformation gegründet, um die Kontroversen zu klären und zu überlegen, inwiefern, ja ob überhaupt noch die jeweiligen historischen Lehren kirchentrennend sein müssen. Die beiden Arbeitsgruppen fanden schließlich zu einer zusammen, die nach ihren „Gründungsvätern“ und bischöflichen Leitern, dem damaligen Paderborner Kardinal Lorenz Jaeger und dem Oldenburger Landesbischof Wilhelm Stählin, lange als Jaeger-Stählin-Kreis bezeichnet wurde. Theologen haben in diesem Gremium über inzwischen mehr als sechs Jahrzehnte aufs Intensivste akribische Arbeit geleistet, Sachverhalte wie Missverständnisse aufgeklärt und immer wieder Vorschläge unterbreitet, wie aufgrund genauester biblischer, historischer, liturgiegeschichtlicher und kirchenpolitischer Sondierung vielleicht doch eine Einheit der Christen näherrücken, Neues unterwegs versucht werden könnte.
Vom Pascha zur Symposienkultur
Nun hat der heute sogenannte Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen ein Votum zur Kommuniongemeinschaft vorgelegt. Auch wenn es noch nicht die große Neugier beim Kirchenvolk geweckt und die besondere Aufmerksamkeit bei den Kirchenleitungen – bis ganz oben – gefunden hat, verdient es höchste Beachtung. Das auch deshalb, weil der dritte ökumenische Kirchentag in Deutschland – 2021 in Frankfurt am Main – näherrückt und viele kirchlich Engagierte sich fragen, was sich denn nun seit der ersten Unternehmung dieser Art 2003 in Berlin getan hat. Seit damals sind immerhin schon wieder fast zwei Jahrzehnte verstrichen. Und nichts passiert?
Damit wollte sich der Theologen-Zusammenschluss nicht abfinden, auch wenn er keine offizielle, amtliche Einrichtung der Kirchen ist. Das 57 Seiten umfassende Dokument mit dem Titel „Gemeinsam am Tisch des Herrn. Ökumenische Perspektiven bei der Feier von Abendmahl und Eucharistie“ hat die inzwischen schier unüberschaubar vielen Dialog-Texte hinsichtlich ihres biblischen, liturgiegeschichtlichen und historischen Ertrags gesichtet, die Ergebnisse zusammengetragen und daraus Schlüsse gezogen.
Besonders intensiv werden die biblischen Grundlagen für Abendmahl und Eucharistie erläutert. Dabei stellt sich heraus, dass nicht nur die geschichtlichen Anfänge der Kirche, sondern ebenso die des Herrenmahls nur umrisshaft zu erkennen sind. Eindeutig rekonstruieren lässt sich nichts. Aber trotz der fragmentarischen Quellenlage geben Einsprengsel und Andeutungen der neutestamentlichen Texte, insbesondere der Briefliteratur, Substantielles zu erkennen: zum Beispiel dass sich die frühchristliche Mahlkultur in Anlehnung an antike griechische und jüdische Mahlfeiern, also die Symposienkultur, bildete. Selbst die profanen Feiern waren vielfach ritualisiert und hatten religiöse Bezüge.
Die in den Evangelien gespiegelte Mahlpraxis Jesu während seines Wirkens in Galiläa fällt „durch ihre Offenheit allen im Volk gegenüber“ auf. Er orientierte sich „nicht am Tempel als dem Ort der von Gott den Menschen gewährten Versöhnung, sondern feierte die Annahme der Sünder im Alltag der Welt“. Das Mahl in der Gemeinschaft mit Jesus war ein Mahl wider alle Apartheid, wider alle soziale oder sonstige Trennung. Das Abschieds-Abendmahl Jesu wiederum wurde als Pascha-Mahl gefeiert, das laut Überlieferung mit den Anspielungen auf den dahingegebenen Leib und das vergossene Blut auf den Opfercharakter des Todes Jesu selber verweist. Biblisch ist vom Brotbrechen die Rede, auch vom Herrenmahl, manchmal von Agape, was im nachösterlichen Zusammenhang nicht nur eine – womöglich wehmütige – Erinnerung an das Leben Jesu meint, sondern eine echte Vergegenwärtigung Christi, des Auferstandenen. Die Verbindung der Gemeinschaft der Feiernden mit dem lebendigen Christus ist der Dreh- und Angelpunkt.
Unsicher, wie es frühchristlich war
Wie sich das kultisch, liturgisch weiterentwickelte und wie das ursprünglich mit einem Sättigungsmahl verbundene Herrenmahl sich immer mehr ritualisierte und später auch vom weltlichen Essen und Trinken ablöste, ist gleichfalls nicht schlüssig zu klären. Auch nicht, wie und ob immer die Erzählung vom letzten Mahl und die sogenannten Einsetzungsworte Jesu bei den Feiern verwendet, zu Gehör gebracht wurden.
Als ein Scharnier zwischen dem Abendmahl Jesu und der nachösterlichen späteren Tischgemeinschaft der ihm Nachfolgenden bewerten die Theologen das Emmausmahl. Entscheidend auch in dieser Erzählung ist, dass die Initiative mit dem Brechen des Brotes von Jesus ausgeht – und wie dadurch seine Gegenwart erkannt, für die beiden Jünger konstituiert wird. Aus einem Gedächtnismahl ist ein österliches Auferweckungsmahl geworden, ganz im österlichen Jubel und immer verknüpft mit Segens- und Dankgebeten über Brot und Wein.
Sogar ohne Einsetzungsworte
Auch weiß man nicht viel darüber, wer die ersten frühchristlichen Mähler geleitet hat. Die Theologen vermuten, dass in der Anfangszeit der kleineren Hausgemeinden und wohl auch noch später Frauen neben Männern eine Leitungsfunktion innehatten. Dann haben sich – je nach Ausbreitungsgebiet des Christentums verschieden – episkopale und presbyteriale Leitungsgremien gebildet. Je mehr sich die Christengemeinden vergrößerten, umso notwendiger wurden Organisation und Institutionalisierung. Wahrscheinlich haben die „Ältesten“ der Danksagungsfeier, der Eucharistie, vorgestanden. Allerdings ist das ebenfalls nicht gewiss – und möglicherweise nicht überall der Fall gewesen. Paulus nennt ja viele Ämter, wobei die Lehrer und Propheten eher für die Verkündigung des Christusglaubens zuständig waren. Erst in spätantiker Zeit wurde das Amt des Bischofs und Presbyters in Aufnahme heidnischer und jüdischer priesterlicher Traditionen kultisch „verpriesterlicht“, sacerdotalisiert.
Die weitere liturgiehistorische Entwicklung lässt erkennen, dass die Vielfalt blieb trotz mancher Versuche zur Vereinheitlichung – und das bis zum heutigen Tag, in einer schmalen Bandbreite sogar in der katholischen Kirche. Am Anfang stand nie Gleichförmigkeit, sondern stets eine Vielfalt der Formen. Bis heute feiern die altorientalische Apostolische Kirche des Ostens, früher Assyrische Kirche genannt, und weitere ostsyrische Kirchen die Eucharistie nach dem Hochgebet der Apostel Addai und Mari ohne Einsetzungsworte. Vermutlich handelt es sich um das älteste bis heute bewahrte Eucharistiegebet, stammt eventuell aus dem dritten Jahrhundert. Es ist inzwischen vom Vatikan als ebenfalls gültig anerkannt.
Die Arbeitskreis-Theologen betonen wiederholt, wie wichtig es für ein gemeinsames Verständnis von Abendmahl und Eucharistie ist, dass die Kommunion eine echte doppelte Communio meint, die Communio der Christgläubigen untereinander und mit Christus. Die Christusbezogenheit bildet den Kern: dass er selbst der Geber ist, der sich in den eucharistischen Gaben gegenwärtig setzt, nicht ein Kultdiener. „Dargebracht“ werden die Gaben nicht als ein wiederholtes Kreuzesopfer der Kirche, sondern als „Naturalien“ bloß dazu, damit sie von Gott selber im Heiligen Geist geheiligt, „gewandelt“ werden zur Heiligung des Menschen, zu seiner Speise auf dem Weg ins Ewige, Himmlische.
Auch die philosophische Weiterentwicklung des Eucharistieverständnisses mithilfe zunächst – etwa bei Augustinus – platonischer, dann – insbesondere bei Thomas von Aquin – aristotelischer Begrifflichkeit verlief keineswegs einheitlich, vielmehr immer begleitet von heftigen Disputen und dem Streit der Gelehrten. Bis zum heutigen Tag verleitet zum Beispiel der Begriff „Transsubstantiation“ dazu, darunter eine magische Verwandlung der Materie, des Stofflichen, der chemischen Bausteine zu verstehen, also eine Änderung der „Substanz“. Seinerzeit aber bedeutete Substanz das Wesen und nicht eine chemisch-physikalische Erscheinung. Die „Wandlung“ – Transsubstantiation – der Elemente von Brot und Wein meint also eine Wesensverwandlung, eine neue wesenhafte Bedeutung, während – so schon bei Thomas von Aquin – für das äußere Auge die Elemente selbstverständlich bleiben, was und wie sie sind. Martin Luther hat allerdings aufgrund der schon seinerzeit gegebenen naturalistischen Missverständlichkeiten die „Transsubstantiation“ zur Beschreibung des eucharistischen Geschehens abgelehnt, an der Realpräsenz Christi „in, mit und unter“ den Elementen, den eucharistischen Gaben, dagegen festgehalten. Andere reformatorische Traditionen haben andere Sichtweisen bevorzugt, worüber gerade innerprotestantisch heftig gestritten wurde, bis amtlich über die sogenannte Leuenberger Konkordie die gegenseitige Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft verschiedener kirchlicher Traditionen vereinbart und aufgenommen wurde.
Entscheidend ist und bleibt, dass es um die wirkliche Nähe, die wahre Gegenwart Christi geht, wie auch immer man sie denkt und beschreibt. Die „Gemeinschaft am Tisch des Herrn“ ist eine wirkliche und gewirkte „geistliche Erfahrung …, die den theologischen Gehalt des Abendmahls, das Gemeinschaft mit Christus und untereinander stiftet, aufgreift“. Inzwischen ist von katholischer Seite geklärt und anerkannt, dass mit der Eucharistie das Opfer Jesu Christi nicht kirchlich „wiederholt“, sondern einzig als sein einmaliges Opfer vergegenwärtigt wird.
Evangelisches Amt, apostolisch
Daher schlagen die Theologen des Ökumenischen Arbeitskreises vor, statt der kontroverstheologischen Sichtweisen nunmehr bevorzugt das Gemeinsame und Verbindende in den Blick zu nehmen. Das betrifft zentral auch das Verständnis des geistlichen Amtes, der apostolischen Sukzession, die nicht einfach nur „mechanistisch“ in einer historischen Abfolge ununterbrochener Handauflegungen seit den Zeiten der Apostel gegeben sei, sondern zuvörderst durch die gläubige, treue Nachfolge im Evangelium, im Dienst des Evangeliums und in der Verwaltung/Spendung der Sakramente.
Zudem ist fraglich, ob für die Gültigkeit der Ordination tatsächlich eine Handauflegung durch einen Bischof notwendig ist. Bereits im Mittelalter diskutierte man über die sogenannte presbyteriale Ordination. Das heißt: Es reicht, wenn ein Priester einem ins geistliche Amt zu Berufenden die Hände auflegt, weil ja der Priester – gerade nach katholischem Verständnis – dieselbe „Weihegewalt“ hat wie ein Bischof, nur nicht dessen Rechtsprechungsgewalt. Auch in dieser Perspektive könnte man die evangelischen Ämter von katholischer Seite her als „gültig“ betrachten. Die Theologen des Arbeitskreises kommen zu dem Ergebnis, dass der „wechselseitigen Anerkennung der Apostolizität der Dienstämter kein theologisches Argument“ entgegensteht.
Jenseits der traditionellen Magie
Auch bei der Frage, ob die volle organisatorische Kirchengemeinschaft der eucharistischen Gemeinschaft vorausgehen muss, kommen die Autoren zu einer differenzierten Sicht, weil die Gemeinschaft der Kirche ja nicht gemacht, sondern geschenkt werde – von Gott, von Christus her, im Heiligen Geist gewirkt über die Eucharistie. Die Grundgemeinschaft ist überdies durch die gemeinsame Taufe längst vollzogen. Da das Abendmahl, die Eucharistie das Volk Gottes mit Christus und untereinander verbindet, sei ernsthaft zu fragen, ob nicht das auch beim Herrenmahl „erkennbare gemeinsame ‚Grundeinverständnis‘ zur gegenseitig ausgesprochenen Einladung berechtigt“. Der Ökumenische Arbeitskreis beurteilt die „wechselseitige Teilnahme an den Feiern von Abendmahl/Eucharistie in Achtung der je anderen liturgischen Traditionen als theologisch begründet“. Die Taufe müsse jedoch als „sakramentales Band des Glaubens und als notwendige Voraussetzung der Teilnahme anerkannt“ sein. Unter dieser Voraussetzung könnten nach Einschätzung der Theologen „auch jene Autoritäten respektiert werden, für die in der römisch-katholischen Liturgie gebetet wird (namentlich die Ortsbischöfe und der Papst)“.
Allerdings räumt der Text ein, dass in der liturgischen Praxis noch etliche Gewohnheiten kritisch zu überprüfen sind. Auf evangelischer Seite betrifft das zum Beispiel den sorgsamen Umgang mit den konsekrierten Gaben und eine Überprüfung, ja Korrektur manches landeskirchlichen Brauchs, dass auch Nicht-Ordinierte dem Abendmahl leitend vorstehen (können). Auf katholischer Seite wäre ein kritischer Umgang mit dem Opfer- beziehungsweise Opferungsbegriff geboten, was wohl manche Änderung und Neuformulierung einschlägiger Texte, nicht zuletzt beim Hochgebet, verlangt. Das Dokument hält zusammenfassend fest: „Die Erfahrung spricht dafür, dass das Erleben eucharistischer Gemeinschaft in der Feier des Abendmahls auch eine Quelle der Hoffnung auf dem Weg zu dem von Gott gewünschten Ziel ist: der vollen sichtbaren Einheit der Kirche in der Gegenwart des Reiches Gottes.“
Die Theologie hat, wie das Votum eindrucksvoll belegt, bedeutende Konvergenzen, ja vielfachen Konsens erarbeitet. Weitaus schwieriger ist es, wie diese Sichtweisen in die Seele, das Herz und den Kopf der Gläubigen Eingang finden und lehramtlich auf hoher Ebene rezipiert werden. Denn nach wie vor herrschen Gewohnheiten vor, die dringender Aufklärung bedürfen. Auf katholischer Seite zum Beispiel halten immer noch häufig magische Vorstellungen von „Wandlung“, von Sakrament überhaupt, das Glaubensverständnis traditionalistisch gefangen, als ob der Priester wie ein Schamane, wie ein Zauberer in diesem Geschehen aktiv werde. Bezeichnend für dieses oft unbewusst tief sitzende, anhaltende Verständnis ist, wie Papst Benedikt XVI. noch 2009 zum sogenannten Priesterjahr eine Aussage des Pfarrers von Ars, Johannes Maria Vianney, bestätigend zitierte: „Oh, wie groß ist der Priester!… Wenn er sich selbst verstünde, würde er sterben… Gott gehorcht ihm: Er spricht zwei Sätze aus, und auf sein Wort hin steigt der Herr vom Himmel herab und schließt sich in eine kleine Hostie ein… Ohne das Sakrament der Weihe hätten wir den Herrn nicht. Wer hat ihn da in den Tabernakel gesetzt? Der Priester. Wer hat eure Seele beim ersten Eintritt in das Leben aufgenommen? Der Priester. Wer nährt sie, um ihr die Kraft zu geben, ihre Pilgerschaft zu vollenden? Der Priester. Wer wird sie darauf vorbereiten, vor Gott zu erscheinen, indem er sie zum letzten Mal im Blut Jesu Christi wäscht? Der Priester, immer der Priester. Und wenn diese Seele (durch die Sünde) stirbt, wer wird sie auferwecken, wer wird ihr die Ruhe und den Frieden geben? Wieder der Priester… Nach Gott ist der Priester alles!… Erst im Himmel wird er sich selbst recht verstehen.“ Immerhin räumte Benedikt XVI. ein: „Diese Aussagen, die aus dem priesterlichen Herzen eines heiligen Priesters hervorgegangen sind, mögen übertrieben erscheinen.“ Doch sei darin „die außerordentliche Achtung“, die Vianney „dem Sakrament des Priestertums entgegenbrachte“, offenbart.
Katholiken beim Abendmahl
Mit der katholischen Anerkennung eines gültigen evangelischen geistlichen Amtes wäre nicht nur derart magischen Vorstellungen der Boden entzogen, sondern auch eine katholisch-evangelische „Asymmetrie“ hinsichtlich der amtlichen Erlaubnis beziehungsweise Nicht-Erlaubnis zum Empfang von Kommunion und/oder Abendmahl überwunden. Außerdem würde eine gravierende Unlogik in der traditionellen katholischen Verhaltensregelung beseitigt. Sie besteht darin, dass der Kommunionempfang eines Evangelischen, der das katholische Eucharistieverständnis gewissenhaft teilt und in sich nachvollzieht, von katholischer Seite toleriert, ja akzeptiert ist. Die Teilnahme eines Katholiken am Abendmahl ist ihm bisher jedoch aus katholisch-lehramtlicher Perspektive untersagt, auch wenn die evangelische Kirche eucharistische Gastfreundschaft gewährt. Was aber wäre an der Zuwiderhandlung eigentlich schlimm? Was ist das Problem? Laut traditioneller katholischer Auffassung, die das neue Dokument zu widerlegen sucht, hätte auf evangelischer Seite ja gar keine „Wandlung“ stattgefunden, wäre also gar nichts „passiert“. Der Katholik würde dort entsprechend – vereinfacht gesagt – bloß die Lebensmittel „Brot“ und „Wein“ verzehren und nicht „Leib“ und „Blut“ Christi empfangen. Dies soll verboten sein?
Was die vermeintlich schwere „Sünde“ dieses Akts tatsächlich ausmacht, liegt allerdings auf einer anderen Ebene: Ein Katholik würde mit dem Empfang des Abendmahls eine „falsche“ Autorität – die des evangelischen Geistlichen, die des evangelischen geistlichen Amts – anerkennen. Damit aber ist klar. Es geht bei der Verbots-Bestimmung gar nicht um die sakramentale theologische Mahlfrage, vielmehr – unausgesprochen oder auch unbewusst – um die (kirchen)politische Machtfrage.
Die Aufwertung und hohe wechselseitige Achtung von Eucharistie und Abendmahl, wie sie das Theologen-Votum anregt und verlangt, sind daher eine bedeutende gemeinsame Bildungs- und Weiterbildungsaufgabe für die Christenheit insgesamt, nicht zuletzt zur Überwindung der falschen magischen Anklänge. Die Glaubensgemeinschaft müsste es überdies heftig in Unruhe versetzen, wie rasant die Sehnsucht nach der Feier von Eucharistie und Abendmahl unter den Menschen schwindet. Und schließlich: Wer sehnt sich denn überhaupt noch nach einer Einheit der Christen, wenn ihm die eigene Kirche bereits egal geworden ist? Das Votum des Ökumenischen Arbeitskreises sollte nicht wie so viele andere Texte und Vereinbarungen in den kirchlichen Abstellkammern landen, während die übliche Geschäftigkeit routiniert weitergeht. Zu vieles, was in wissenschaftlichen Arbeiten und Gesprächen bereits geklärt war, wurde vergessen. Wir drehen uns im Kreis. Damit muss Schluss sein.
So erklärte der katholische Vorsitzende des Arbeitskreises, der Limburger Bischof Georg Bätzing, zum Dokument: „Es braucht eine intensive theologische Befassung und eine würdigende Aufnahme durch das Lehramt der Kirche. Das wünsche ich mir. Die Argumente sollen erwogen, kritisch geprüft, ergänzt oder auch erwidert werden. Und ich hoffe natürlich, dass unser Votum bereits mit Blick auf den ökumenischen Kirchentag in Frankfurt zu einer solide begründeten und zugleich vorsichtig verantwortbaren Öffnung der bisherigen Praxis beiträgt. Das Einzige, was ich mir in dem nun beginnenden Diskussionsprozess nicht vorstellen kann, ist ein apodiktisches ‚So nicht!‘ Dann werde ich zurückfragen: ‚Wie denn dann? Wie denn anders?‘ Und wir werden unsere Gesprächspartner gerne an die hohe Verantwortung erinnern, … vor der wir alle stehen.“
Der evangelische Landesbischof Martin Hein von Kurhessen-Waldeck bestätigte: Das Dokument enthalte „Zumutungen“ nicht nur an die katholische Seite. Diese erwarte auch umgekehrt von den Evangelischen, „dass die Feier des Abendmahls im Rahmen der Ordination erkennbar geregelt ist“. Diese Diskussion müsse auch auf evangelischer Seite geführt werden.
Der evangelische Kirchenhistoriker Volker Leppin wies eindringlich auf den bedeutenden Ertrag des Dokuments hin: „Unser Votum argumentiert auf einer so breiten biblischen und wissenschaftlichen Grundlage, dass sich die Argumentationslast gegenüber dem Gewohnten umkehrt: Wer etwas gegen die Abendmahlsgemeinschaft sagen will, braucht sehr starke Gründe.“
Die katholische Ökumenikerin Dorothea Sattler lenkt den Blick auf die bibelwissenschaftliche Argumentation, die breiten Raum einnimmt. Dabei werde deutlich, „dass die Hoffnung auf die Gemeinschaft der an Jesus Christus glaubenden Menschen ein zentrales Anliegen bereits in den frühen christlichen Gemeinden war“. Daran knüpft die Theologin eine weitere Hoffnung: auf die Bereitschaft der Gläubigen verschiedener Konfessionen sowie der lehramtlichen Autoritäten, „sich auf die differenzierte wissenschaftliche Argumentation einzulassen“.