Seien Sie kein Säugling, seien Sie ein Mann“, schrieb Katharina von Siena 1376 an den Papst in Avignon. Er solle schleunigst nach Rom zurückkehren und seinen „Job“ machen, also federführend die dringende Kirchenreform voranbringen. Immerhin: Eine 29-jährige nichtstudierte Frau liest dem obersten Kleriker die Leviten, und das mit heißer Leidenschaft und höchst entschieden. Sie weiß sich von Gott selbst zu dieser Initiative beauftragt, durchaus auf der Spur biblischer Prophetinnen und Propheten. Diese gott- und geistbegabte Frau ist nur ein Beispiel für die emanzipative Kraft biblischen Gottesglaubens. Zwar sind auch die biblischen Religionen wie alle größeren sonst in patriarchalen Kontexten entstanden. Und alle haben die wirkliche Gleichwürdigung der Geschlechter noch vor sich. Aber dass Mann und Frau in gleicher Würde von Gott geschaffen sind und das entsprechend auch verwirklichen sollen, ist normativer Kernbestand einzig im biblischen Gottesglauben und in der christlichen Geisterfahrung. Im Buch des Propheten Hosea (Kap. 11) heißt es wörtlich: „Gott bin ich, nicht ein Mann“. Aber selbst die neue Einheitsübersetzung gibt es wieder als: „nicht ein Mensch“ – und das auf Druck der Bischöfe gegen die Bibelwissenschaftler! Das real existierende Christentum ist seine patriarchale und männerzentrierte Prägung immer noch nicht los.
Eine Katharina von Siena macht da noch keinen Sommer. „Du bist ein gerechter Richter und nicht wie die Richter dieser Welt, die alle Söhne Adams und daher Männer sind. Es gibt keine Tugend einer Frau, die sie nicht mit Misstrauen betrachten. Aber, mein König, es wird eine Zeit kommen, an dem sie uns alle erkennen werden“, heißt es im Klagegebet der Teresa von Ávila. Ob diese Zeit jetzt endlich kommt? Der Veränderungsdruck jedenfalls wächst massiv, der Geduldsfaden reißt. Die weltweite katholische Fraueninitiative „overcoming silence“ (Das Schweigen überwinden) ist ein Beispiel dafür. Jüngst sind sechs katholische Theologinnen der Schweiz im Protest aus ihrer Kirche ausgetreten. „Frauen hören zu – Männer erteilen die Absolution. Frauen backen das Brot – Männer konsekrieren…“ Die Ämterfrage ist weiß Gott nicht alles, aber sie ist ein höchst sensibler Punkt. Längst wird vom Auszug der Frauen aus dieser Kirche gesprochen. Wo sind wir Männer in diesem Umbruch, wo wir Kirchenmänner? Bestenfalls pastorale Frauenversteher oder wirklich Männer, die mit ihrer amtlichen Macht (und Ohnmacht!) partizipativ umgehen lernen und – auch dies – ihre Ängste vor dem anderen Geschlecht (und dem eigenen) schöpferisch integrieren? Es geht ja um die Änderung nicht nur von Haltungen, sondern Strukturen.
Ein Schlüsselerlebnis war für mich die Mitarbeit im nationalen „Club“ der Studentengemeinden Anfang der siebziger Jahre. Die beteiligten Frauen wollten Seminare für feministische Theologie anbieten. Wir Männer stimmten zu, aufgeklärt und solidarisch, wie wir uns fanden, unsere eigene Mitarbeit vorausgesetzt. Die Frauen aber schüttelten den Kopf: „Ohne euch; wenn ihr Männer dabei seid, sind wir Frauen anders.“ Nie vergesse ich mein Gefühl der Kränkung und Empörung – ein höchst folgenreicher Blickwechsel. Gewiss: Was alles hat sich in den fünfzig Jahren seitdem auch kirchlich getan, für einen Supertanker wie eine Weltkirche immens viel. Und doch, und doch, und doch …