Kontemplation im spanischen BarockWüstenweg zum Frieden

Wie Miguel de Molinos im Barock die Herzensruhe in Gott suchte und lehrte.

Dass Nächsten- und Selbstliebe ohne Gottesliebe in der Luft hängen, erfährt jeder Mensch, der sich ernsthaft auf den Weg macht. Deshalb ist das wachsende Interesse an Meditation und Kontemplation ein bedeutsames Zeitzeichen. Aber wie dem Geheimnis, das wir Gott nennen, nahekommen oder es gar berühren und bewohnen? Wie ihn lieben? Solche Fragen trieben engagierte Christenmenschen gerade am Beginn der Neuzeit und dann im Barock um.

Der spanische Priester Miguel de Molinos (1628–1697) war ein gefragter Glaubenslehrer. Sein „Geistliches Weggeleit“ war ein Bestseller. Kurz vor Molinos’ Geburt 1628 waren Ignatius von Loyola, Teresa von Ávila und Philipp Neri heiliggesprochen worden – ein Signal. Die große Sehnsucht galt der Herzensruhe in Gott: Kontemplation als Einübung dazu und ständiges Auskosten des Geschenkten; nicht „nur“ meditatives und imaginatives Verinnerlichen von Glaubensinhalten und Jesusgeschichten, sondern absichts- und gegenstandslose Präsenz in der geschenkten Einheit mit Gott.

Miguel de Molinos erschließt diesen „mystischen“ Weg des kontemplativen Ruhegebets ganz in der Spur geistlicher Erfahrung und Lehre vor ihm. Wichtig ist die geistliche Begleitung, um sich im Abenteuer des inneren Wegs nicht zu verlaufen. Die Gefahr, eigene Gipfelerfahrungen für Gottesbegegnungen zu halten und sich erleuchtet zu wähnen, war (und ist) groß. Dabei kommt dem unterschiedenen Ineinander von erworbener und geschenkter Kontemplation, von aktiv einübender Sammlung und passiv-überwältigender Gottesgegenwart besondere Bedeutung zu – ein langer Wüstenweg in das gelobte Land des gottmenschlichen Friedens.

Demnach sind Meditation und Kontemplation kein Gegensatz. „Normales“ mündliches Gebet und kontemplatives Gebet dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. „An der Menschheit Jesu ist nie vorbeizukommen“, unterstrichen bereits die Mystiker Johannes Tauler und Teresa von Ávila. Und das bedeutet: Einbettung des Kontemplativen in den Raum der Glaubensgemeinschaft und der Liturgie- und Lebenspraxis. Genau hier konnte und kann man, wie der Übersetzer Mariano Delgado treffend formuliert und erschließt, in die mystische Falle tappen, den Quietismus: Ruhigstellung des Lebens in Gott ohne Kirchen- und Weltbezug, sozusagen frei flottierende Kontemplation ohne konkrete Bodenhaftung und mit der ständigen Gefahr narzisstischer Selbstgenügsamkeit.

Genau das warf man dann auch dem Autor Molinos vor – besonders seitens der Jesuiten, die überall „Erleuchtete“ witterten. Seit 1663 in Rom wirkend, wurde Miguel de Molinos dort zwölf Jahre nach Erscheinen seines Bestsellers 1687 zu dauernder Haft verurteilt, die er in beeindruckender Gelassenheit bis zu seinem Tod absaß. Eine durchaus tragische Gestalt also, in deren Leben die christlich stets brisante Spannung von Kirche und Mystik, von Kontemplation und Aktion ausgetragen wird – mit all jenen Menschlichkeiten und Intrigen, die auch zum Kirchlichen gehören. Zudem wandte sich Molinos ausdrücklich an die Laien, was „natürlich“ klerikalen Verdacht weckte.

Mariano Delgado, der beste Kenner spanischer Mystik im deutschen Sprachraum, erschließt die historischen und theologischen Zusammenhänge meisterlich, auch mit Anmerkungen zum Text dieses spirituellen Klassikers. Ihm ist dabei zudem der Fund zu verdanken, dass Molinos der Erste ist, der Teresas Gebet „Nada te turbe (Nichts soll dich ängstigen) überliefert hat.

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