Wenn die Menschen nicht lernen, ihre materiellen Bedürfnisse einzuschränken und untereinander zu teilen, wird die Menschheit zugrunde gehen. Wo aber sind die moralischen Kräfte zu finden, die imstande wären, die unselige Entwicklung umzustoßen? Nur bei denen, die Werte höherer Ordnung erkannt haben. Wie der Mann im Evangelium, der einen auf dem Feld verborgenen Schatz gefunden hatte und fähig war, alle seine Habe herzugeben, um das Feld und den Schatz zu erwerben.
Die Spannung zwischen „Können“ und „Dürfen“ kennzeichnet das Paradox der heutigen Zivilisation. Was ist also die Alternative zu der Haltung eines Menschen, der im Namen seiner „Selbstverwirklichung“ die anderen sowie seine Umwelt manipuliert? Der Begriff „Ehrfurcht“ taucht hier auf. Es gibt keine Kultur ohne Ehrfurcht vor sich selbst, vor dem Nächsten, vor der Natur, vor Gott.
Tomáš Halík in: „Starker Wein, nicht lauwarmes Wasser“ (Sankt Benno Verlag, Leipzig 2017)