Wer gilt in unserer Gesellschaft als „Elite“? Börsengurus, Millionenerben, Sportathleten, Filmstars, Wirtschaftsbosse, Politiker? Für den österreichischen Schriftsteller Michael Köhlmeier ist es höchste Zeit für eine „Begriffsreinigung“. Man müsse sich wieder am „alten, traditionellen Elitenbegriff“ orientieren, sagte er dem Onlineportal religion.ORF. Demnach seien die Eliten „diejenigen, die es auch wirklich verdienen, nicht nur im moralischen Sinne, sondern auch im Sinne, dass sie etwas geleistet haben“. Wissenschaftler zum Beispiel, über die man in der Alltagsöffentlichkeit – außer bei Nobelpreisen – selten spricht. Oder Kulturschaffende, Geistesgrößen eben, die die Gesellschaft tatsächlich voranbringen. Die wahren Eliten wirken oft im Stillen, abseits des Rampenlichts. Köhlmeier spricht sich dafür aus, eine klare Unterscheidung zwischen zwei Arten von „Eliten“ vorzunehmen. Es gebe „diejenigen, die den Neid auf sich ziehen, weil sie sich zu Unrecht Elite nennen, und diejenigen, die Bewunderung auf sich ziehen, weil sie sich zu Recht so nennen“.
Für Köhlmeier ist der Begriff „Elite“ außerdem eng mit der Vorstellung verknüpft, erwählt worden zu sein, um Großes zu leisten. Ohne einen Glauben an das Göttliche sei das schwer vorstellbar. Das gelte auch in säkularen Zeiten, in denen sich „die meisten nicht von Gott zu reden trauen und vom ‚lieben Gott‘ schon gar nicht“. Laut Köhlmeier wirken christliche Konzepte und Motive auch in auf den ersten Blick religionsfernen Gesellschaften weiter. Der Schriftsteller nennt die Französische Revolution und den Marxismus als Beispiele für Strömungen, die sich offen gegen die Kirche stellten und trotzdem tief in religiösen Idealen verwurzelt blieben. Letztendlich hätten die moralischen Grundlagen des Zusammenlebens jeden politischen oder ideologischen Umschwung überdauert – „ansonsten würde unsere Spezies bereits ausgestorben sein“.