Das Wort „Seele“ bezeichnet aus Sicht der Medizin, Psychologie und Neurobiologie etwas Ungenaues, weshalb davon in den Wissenschaften kaum die Rede ist. Andererseits erlebt die Seele in Kulturdebatten eine Art Wiedergeburt. Sie bezeichnet zum Beispiel das unzerstörbare Innerste jedes Einzelnen, etwas, was Menschen miteinander verbindet, im Gefühl zusammenbringt, auch über den Tod hinaus. In Literatur, Musik, Film, bildender Kunst und Spiritualität hat die Seele Konjunktur. Das beobachtet der Religionswissenschaftler Kocku von Stuckrad in seiner „Kulturgeschichte“. Der Autor greift Gedanken des 19. Jahrhunderts in Philosophie, Theologie und Esoterik/Okkultismus auf und führt sie weiter in die Gegenwart.
In den Kulturdebatten wird Seele je nach Perspektive identifiziert mit der Weltseele, dem Kosmos, dem Atem, dem Geist, sogar mit physikalischen Energieprozessen. Alles ist Seele? Nicht alles ist dasselbe. Doch bleibt es spannend, wie sich das Verständnis von Seele, das einmal metaphysisch oder religiös bestimmt war, in säkularisierten Gesellschaften weitet und sogar neue Diskurse religiöser oder quasireligiöser Art anregt, ökologisch etwa die Bewegung „Mutter Erde“. Der Autor ist davon überzeugt: Das Leuchten der Seele hört nicht auf. Jürgen Springer