Sie könnten ziemlich beste Freunde sein: die epochale Strömung der Aufklärung und die römisch-katholische Kirche. Denn beide möchten Licht in die Welt bringen. Das Licht der Vernunft, das die Dunkelheit des Vorurteils und des Unwissens ausleuchtet, und das Licht des Glaubens, das den Menschen eine weite Perspektive und eine Distanz zu den Erscheinungen der Welt schenkt. Doch bekanntermaßen ist die Freundschaft niemals wirklich erblüht. Die Aufklärung wurde nicht selten säkular und antikirchlich buchstabiert, das kirchliche Lehramt verurteilte noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts aufklärerische Ideale wie die liberale Demokratie oder die Religionsfreiheit als ketzerisch.
„Verdammtes Licht“ also, wie der eindringliche Titel des Buches von Hubert Wolf lautet? Keinesfalls, führt der renommierte Kirchenhistoriker und Gelehrte aus: „Es gibt kein verdammtes Licht, weder der Vernunft noch der Offenbarung.“ Die Aufklärung habe auch innerhalb der katholischen Kirche einen ausgezeichneten Platz, „und zwar nicht nur als einmalige vergangene historische Epoche, sondern auch als ständige unverzichtbare Aufgabe“. „Ecclesia semper reformanda“, so der klassische Begriff hierfür. Auf ihrem Pilgerweg bleibt die Kirche stets reformbedürftig, auf kritische Beleuchtung wie lichtvolle Momente angewiesen.
In neun Kapiteln, zu denen sich ein Prolog und ein Epilog gesellen, verdeutlicht der Autor beispielhaft, wie die katholische Gemeinschaft „offen für Erleuchtungen“ wurde, welche überraschenden Optionen den „Mythos von der Reformunfähigkeit“ widerlegen. Bei Stichworten wie „Wider die Einsamkeit des Papstes“ oder „Mehr Verantwortung für die Teilkirchen“ zeigt sich freilich auch, dass viele fruchtbare Entscheidungen aus fernen Zeiten nicht auf die folgenden Epochen durchschlagen konnten, dass Rom nach überstandenen Krisen es stets vermochte, die zeitweise geteilte Macht wieder an sich zu reißen. „Das Prinzip der Subsidiarität, das sich in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik bewährt hat“, resümiert Wolf, „könnte also endlich auch dort Anwendung finden, wo es konzipiert wurde: in der katholischen Kirche.“
Das neue Werk des Leibniz-Preisträgers ist zum großen Teil aus Aufsätzen erstellt, die zwischen 2005 und 2016 erschienen sind, ist also kein Werk aus einem Guss. Mit seinen systematisierenden wie exemplarischen Teilen ist es gleichwohl so bereichernd wie aktuell. „Kampf ums Licht? Katholiken und Muslime zwischen Aufklärung und Fundamentalismus“ heißt das letzte Kapitel, das zeigt, dass sich nicht nur die weltumspannende katholische Gemeinschaft den Herausforderungen der rasenden Moderne stellen muss. Christian Heidrich