Ausstellung "Ikonen" in Bremen60 Stars, 60 Ikonen

Eine Ausstellung in Bremen stellt die Frage, wer oder was in unserer Gesellschaft anbetungswürdig ist.

Wo kommt bloß dieser Gesang her? Ein vielstimmiger Chor füllt fast alle Ebenen der Bremer Kunsthalle mit einer Motette des englischen Renaissance-Komponisten Thomas Tallis (1505–1585). Die Musik schallt aus vierzig auf Ohrhöhe aufgestellten Lautsprechern, ein paar Treppen hoch geradezu skulptural im Oval gruppiert. Die kanadische Installationskünstlerin Janet Cardiff hat sich die Anordnung ausgedacht, die den Klangteppich für eine spektakuläre Ausstellung ausrollt: Es geht um Ikonen, alte und neue (bis 1. März 2020).

„Was wir Menschen anbeten“, lautet der Untertitel, was sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinn gemeint ist. „So ist das noch nie inszeniert worden – weder in Deutschland noch weltweit“, schwärmt Christoph Grunenberg, Direktor der Kunsthalle. Für das Projekt wurde das gesamte Haus auf rund 4500 Quadratmetern Ausstellungsfläche komplett leer geräumt, um es nun ausschließlich mit der Ikonen-Schau ausgestalten zu können. „In sechzig Räumen zeigen wir jeweils nur ein bedeutendes Werk oder eine Werkgruppe.“

Das ist Luxus. Vincent van Goghs „Selbstbildnis mit grauem Filzhut“, 1887 entstanden, einzig und allein in einem Raum. Flügel und Geige der Installation „Konzertflügeljom“ (1969) von Joseph Beuys – ebenso in einem Raum. Vor einem leuchtend lavendelfarbenen Hintergrund thront einige Schritte weiter das in ebenso kräftigen Farben von Andy Warhol inszenierte Gesicht der Filmikone Marilyn Monroe (1962), im nächsten Raum Jeff Koons’ überwältigender Ballonhund (1994–2000). Ganz zu Anfang ist eine russische Ikone aus dem 16. Jahrhundert aufgehängt, ein sogenanntes Mandylion, ein Abbild Christi auf einem Tuch.

Es gehe darum, sich jeweils auf ein Kunstwerk einzulassen, erläutert Grunenberg die Grundidee der Ausstellung. „Intellektuell, spirituell, emotional.“ Er hofft auf große Publikumsresonanz. Das Thema sei hochaktuell. „Es gibt eine Sehnsucht nach starken Bildern, nach integren Vorbildern, nach Idolen.“ Die Farbgebung der Wände – Grunenberg hat jeden Raum auf das jeweilige Werk abstimmen lassen – gibt dieser Dramaturgie zusätzlichen Schub. Genauso wie die abwechslungsreiche Architektur der Kunsthalle, die von weiten Foyers über klassische Oberlichtsäle bis zu intimen Kabinetten alles bietet.

Die Kunstwerke werden in sechs thematischen Kapiteln präsentiert. So geht es beispielsweise um die Frage, wie sich das Göttliche zeigt, um Ikonen der Moderne, um Wahrnehmung als Erleuchtung. Die Arbeiten reichen von der russischen Ikone über Werke von Caspar David Friedrich, Wassily Kandinsky, Piet Mondrian, Andy Warhol, Niki de Saint Phalle bis zu Andreas Gursky.

Starkult und ikonenhafte Selbstinszenierungen spielen auch eine wichtige Rolle, gerne interaktiv: Wer will, kann sich vor einem Abbild der ultimativen Kunstikone, der „Mona Lisa“, per Selfie inszenieren – und das Ergebnis in sozialen Medien teilen. „Hausaltäre“ dokumentieren außerdem, was oder wen Menschen gegenwärtig verehren.

Weltberühmte Leihgaben stammen aus bedeutenden Museen, unter anderem aus dem San Francisco Museum of Modern Art. Eine Arbeit wurde extra für die Ausstellung angefertigt. Dabei handelt es sich um ein Porträt des New Yorker Hip-Hop-Tänzers Malak Lunsford, das vom amerikanischen Künstler Kehinde Wiley stammt. Der Porträtist von Barack Obama hat es im Stil byzantinischer Ikonenmalerei gestaltet, mit einem stolz-würdevollen Ausdruck (vgl. Foto erste Seite).

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