Der Mensch erweist sich als merkwürdig unabhängig von Raum und Zeit… Denkt er etwa inniglich an einen guten Freund in einem fernen Land, ist er diesem geistig nahe, egal, wo er sich räumlich-körperlich aufhalten mag. Entsprechend kann er sich fantasievoll in seine Kindheit oder gar in die Antike, in die Zeit der Griechen und Römer zurückversetzen, obwohl er sich im dritten Jahrtausend befindet.
Der Mensch kann in freundlichem Gedenken bei einem Verstorbenen weilen, und dann ist er eben bei diesem, außerhalb des irdischen Raum-Zeit-Kontinuums. So stehen Geistiges und auch die geistige Person immer schon außerhalb von Raum und Zeit, sind „im Leibe nirgends und daher auch nicht im Grabe“ (Viktor Frankl). Das Wissen um den Tod aber ist nichts anderes als das Wissen um die endgültige Trennung des menschlichen Geistes von seiner organismischen Hülle und das Wissen um die Rückkehr des Geistes in seine Heimat – jenseits von Raum und Zeit.
Der alte Mensch bildet die Vorhut auf diesem Weg in die eigentliche Heimat menschlichen Seins. Er ist bereits auf den höheren Stufen des Lebens angelangt. Begegnen wir ihm daher mit Achtung und Ehrfurcht.
Elisabeth Lukas aus: „Was uns zusammenhält“ (Topos plus, Kevelaer 2019)