Wie theologisch denken, wenn Theologie (Suche nach) Gottesbegegnung ist, Denken im Angesicht Gottes?“, fragt der Autor Clemens Sedmak, Professor für Sozialethik an der University of Notre Dame (USA) und der Universität Salzburg in einem fast achthundert Seiten umfassenden Band. Er will der Frage nachgehen, was theologisches Denken kennzeichnet, das nicht nur Nachdenken über Gott, sondern selbst eine Begegnung mit Gott ist.
Die sieben Teile des Buches werden durch die Bitten des Vaterunser strukturiert, beginnend mit „Den Namen Gottes heiligen“ bis „Vom Bösen befreit werden“. Der Autor will damit deutlich machen, dass theologisches Denken eine Weise des Betens ist und Raum schaffen soll für Gottes Willen „im Himmel wie auf Erden“. Er sieht die Theologie als „Brückenbauerin und Bürgerin zweier Welten“, eine Arbeit an Brücken, die „geplant und mit Achtsamkeit gestaltet werden“ kann.
Wie sieht diese Arbeit aus, die Sedmak in Angriff genommen hat? Dies sei beispielhaft an Teil VI, „Nicht in die Versuchung folgen“, aufgezeigt. In einem einleitenden Teil wird unter anderem gefragt, wie sich Gottes Handeln und die Versuchung zueinander verhalten und wie es sich mit der Bitte verhält, nicht in Versuchung geführt zu werden. Abschließend wird wie nach jedem Kapitel ein „Schlüsselsatz“ formuliert: „Theologisches Denken schließt an die Bitte an, nicht in Versuchung geführt zu werden, mit dem Auftrag, Versuchungen zu benennen und sich gegen die Versuchungen zu stemmen…“
Anschließend werden sieben Texte der Heiligen Schrift, die Menschen in der Versuchung zeigen sollen, besprochen und detailliert analysiert: der Sündenfall (Gen 3,1–13), Abrahams Opfer (Gen 22,1–14), Jakobs Ringen (Gen 32,23–32), Ijob gibt klein bei (Ijob 42,1–6), Jesu Gang auf dem Wasser (Mt 14,22–33), Jesu Begegnung mit dem reichen Mann (Mt 19,16–26) und die Vision des Petrus (Apg 10,9–17). Bei der Auslegung der Texte beansprucht Sedmak nicht, exegetisch relevantes Wissen einzubringen, sondern eher, erkenntnistheoretische Meditationen vorzulegen. So werden denn auch die Personen nach ihrer Erkenntnisweise und nach möglichen Gedanken befragt, und die Bedeutungsbreite zentraler Begriffe – in Genesis 3 zum Beispiel „Nacktheit“ – wird aufgezeigt. Der abschließende Schlüsselsatz in der Auslegung des Textes zum Sündenfall lautet: „Theologisches Denken wird von einer Sehnsucht nach der Selbstverständlichkeit göttlicher Gegenwart genährt; dieser Nährboden ist ‚jenseits der Schuld‘ zu pflegen.“
Beim Ijob-Text weicht der Autor der Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts des Leids, also der Theodizeefrage, nicht aus. Er fragt nach der Schmerzfähigkeit Ijobs und bietet darüber hinaus ein hinzugefügtes 43. Kapitel des Buches Ijob, das die Frage beantworten will, was Ijob erspart blieb.
Immer wieder sucht der Verfasser die Denk- und Handlungsweisen der Personen zu ergründen, zu verstehen. So auch bei Jesu Begegnung mit dem reichen Mann (Mt 19,16–26). Hier fragt Sedmak nach der „inneren Situation des Mannes“, denkt über den „Reichtum und die Erkenntnissituation eines Menschen“ nach.
So kann der Band mit ausführlichem Register und Literaturverzeichnis ein Nachschlagewerk sein, um sich auf die Begegnung mit Gott auch im Denken auszurichten.