Auch wenn es einen gewissen Nihilismus wohl immer gegeben hat, der globalisierte Nihilismus stellt eine neue Herausforderung dar.“ Der Philosoph Werner Schneiders wird nicht müde, eindringlich vor den Gefahren dieses – wie er es beobachtet – weltweiten „Massenphänomens“ zu warnen. Worin gründen die seiner Ansicht nach „neue Qualität und Aktualität“ des Nihilismus? Unverändert sei die Hauptursache entsprechender Verzweiflung am Sinn allen Seins die Erfahrung unbegreiflichen Leidens. Schneiders beschreibt die verschiedenen Arten menschlichen Leidens: eigenes Leiden und das der anderen; physisches und psychisches Leiden; verschuldetes und unverschuldetes Leid; Leid, dass ich mir selbst zufüge, und jenes, das andere durch mich erfahren.
Der Verfasser erkennt gerade in Letzterem einen „Hinweis auf eine negative Grundeinstellung oder Grundverfassung des Menschen“: Der Mensch ist nicht nur gut, sondern auch „asozial und unsolidarisch, aggressiv und destruktiv, er verhält sich, entgegen seiner Absicht, in Worten wie in Taten negativ“. Den Verlust einer letzten Sinngebung und Normativität in der Rückbindung an Gott oder an das Naturrecht macht Schneiders für den Zustand der Welt verantwortlich, den er durch einen Mangel an Unrechtsbewusstsein, durch die „faktische Missachtung aller moralischen und rechtlichen Standards“ gekennzeichnet sieht. Andererseits spricht Schneiders auch von der Selbstwidersprüchlichkeit eines radikalen Relativismus – spätestens wenn Toleranz zu einem übergeordneten Wert wird, der die Relativität selbst relativiert und einschränkt.
Was könnte der Gefahr eines globalisierten Nihilismus entgegenwirken? Die Vermittlung von Sinn gehört nach Schneiders wesentlich dazu. Sie vollziehe sich in jedem Akt des Sprechens, insbesondere in der Erziehung. Selbst die Erziehung zum Nihilismus wäre insofern eine Negation des Nihilismus. Die Rückgewinnung einer Sinnhaftigkeit der Wirklichkeit wäre dem „allgemeinen Sittenverfall“ gegenüberzustellen.
Dass Glaube und Religion hier von zentraler Bedeutung sein könnten, steht für Schneiders außer Frage, sieht er doch die Hauptursache des modernen Nihilismus darin, dass faktisch Religion für immer weniger Menschen der alles bestimmende Lebensmittelpunkt ist. Der Nihilist: „ein Sinnbankrotteur, im Grunde ein enttäuschter Gottsucher“. Dass jedoch „die Religion, die uralte Gegenbewegung zum Nihilismus, noch einmal massenhaft die Oberhand“ gewinnt, hält Schneiders für unwahrscheinlich. Neben der philosophischen Reflexion ist Schneiders’ Band vor allem eines: eine eindringliche, bisweilen düstere Warnung – und ein fast verzweifelter Appell, dem letzten Sinn doch auf der Spur zu bleiben.